Ein letzter Walzer in Buckow

Eintracht Südring aus Kreuzberg war ein großer Badmintonverein. Europapokalsieger. Viermal Meister. Am Sonntag wurde man noch mal deutscher Vizemeister. Dann kullerten bei Manager Rainer Behnisch die Tränen. Danach ging das Licht aus

von MARKUS VÖLKER

Als die „Titanic“ in See stach, galt der Luxusliner als unsinkbar. Sie stieß an einen Eisberg. Die Unsinkbare verschwand im Ozean. Davor spielte eine Band ein Lied. Einige Passagiere tanzten dazu. „Near my God, to Thee“, war das letzte Stück der dem Untergang Geweihten.

Eintracht Südring war ein großer Badmintonverein. In den vergangenen fünf Jahren wurden die Federballer aus Kreuzberg viermal Meister. 1999 holte Südring als einziger deutscher Verein den Europapokal. Am Sonntag sind sie verschwunden. Vor dem Untergang haben sie ein Lied gespielt. Ein Stück von Wolfsheim. „Es gibt keinen Weg zurück, weißt du noch wie’s war?“, schallte es durch die Halle an der Kohlfurter Straße. 400 Zuschauer gaben das letzte Geleit. „Was jetzt ist, wird nie mehr so geschehn“, ertönte es aus den Lautsprechern.

Rainer Behnisch kämpfte gegen das Lied an und gegen die larmoyante Stimme des Sängers. Aber es half nichts. Die Tränen kullerten. Der 60-Jährige ist Manager von Südring. Das heißt: Er war es. Verschämt wischte er die Tränen unter der Brille ab. „Das tut sehr weh“, sagte er dann. Seit 21 Jahren ist er im Verein. Der Holzhändler hat viel Geld investiert. Aber das war nicht mehr genug. „Die letzte Saison haben wir praktisch ohne Hauptsponsor gespielt“, sagt er. Dabei musste so sehr viel Geld gar nicht aufgetrieben werden. Nur 100.000 Euro. Das hätte gereicht, um wieder um die Meisterschaft spielen und eine Mannschaft bezahlen zu können, in der Dänen, Schweden, Ukrainer, Holländer, Finnen und eine Deutsche den Gegnern die Bälle um die Ohren hauten. „Es ging nicht mehr“, sagt Behnisch. „Wir mussten vor jeder Saison bei null anfangen“, sagt er. „Wir haben mühsam dafür gesorgt, dass das Licht angeblieben ist, jetzt ist es endgültig aus.“

Beim Berliner Landessportbund hat Behnisch Klinken geputzt. Ohne Erfolg. Geschäftsleute fragen zuerst, wie stark ihr Firmenlogo verbreitet wird. Nicht sehr weit, musste ihnen Behnisch antworten, denn das Fernsehen übertrug – wenn überhaupt – nur in Kurzberichten. Ein Rettungsaktion über die Medien wollte er inszenieren. Verworfen. „Ich war vielleicht auch ein bisschen zu müde.“

So steht Behnisch am Ostersonntag, dem Tag der Auferstehung, in seinem Trainingsanzug da und soll den Untergang erklären. So richtig gelingt es ihmnicht. Und bevor er pathetische Reden schwingt, geht er lieber in die Halle und schaut seinem Team zu, „der großen Familie“.

Am Samstag hat sie im Playoff-Finale der Mannschafts-Meisterschaft 0:8 bei Bayer Uerdingen verloren. Im Sonntagsspiel in Kreuzberg hätte Südring nur dann eine Chance auf den Titel gehabt, wenn postwendend ein 8:0 gefolgt wäre. Aber schon das erste Damendoppel geht verloren. Behnisch guckt danach trauriger als ein Hush Puppy.

Sobald ein Sieger feststeht, werden die folgenden Partien normalerweise nicht mehr ausgespielt. Aber weil es das letzte Spiel in der Bundesliga ist, geht’s weiter – zur makabren Feier des Tages. Denn auch Meister Uerdingen zieht sich zurück, weil Bayer das Sponsoring (250.000 Euro) einstellt.

Am Abend trafen sich Eintracht Südring und Bayer Uerdingen im Lokal „Giardino di Buckow“. Der DJ hatte ganz gut vorgesorgt. „Last Waltz“ und „I ain’t gonna see you no more“ kamen blendend an beim letzten Tanz der beiden führenden deutschen Badmintonvereine. Und auch Wolfsheim lief noch mal. Wer hinhörte, bemerkte diese eine Liedzeile: „Es gibt auch ein Wiedersehen.“ In der Tat. Allerdings müssen sich Interessierte dafür in die Zweite Bundesliga begeben. Da spielt die zweite Mannschaft von Südring.