Marschieren statt Eiersuchen

Zehntausende Kriegsgegner demonstrierten bundesweit auf Ostermärschen – deutlich weniger als bei den Antikriegsdemos der letzten Wochen. Organisatoren ziehen trotzdem positives Fazit: Im Vergleich zum Vorjahr kamen doppelt so viele

BERLIN/HAMBURG/FRANKFURT AM MAIN taz ■ Es war gegen 13 Uhr mittags, die Speerspitzen des deutschen Proletariats – DKP, KPD-ML und PDS – hatten ihre Stände längst aufgebaut, da betrat der neue Star der Friedensbewegung die Bühne: Oskar Lafontaine, Enfant terrible der Sozialdemokratie und mit Spannung erwarteter Redner auf der Friedensdemonstration in Frankfurt am Main. Frieden, sagte er, könne es nur geben, wenn das internationale Recht von allen Staaten beachtet werde; „und wenn es überall soziale Gerechtigkeit gibt“. Wer sich auf das Recht des Stärkeren berufe, setze die Welt in Brand, rief Lafontaine. Sein Fazit: Der Krieg gegen den Irak sei ein historischer Fehler.

Lafontaine bekam viel Beifall in Frankfurt, und die Kundgebung mit rund 5.000 Menschen war nur eine von vielen in Deutschland am Osterwochenende: Zehntausende waren in über hundert Orten auf Ostermärschen unterwegs, nahmen an Mahnwachen und anderen Aktionen teil. Das sind nicht viele, zumindest wenn man als Messlatte die Großdemonstrationen zu Beginn des Irakkriegs anlegt. Zum Vergleich: Allein in Berlin trieb die Wut auf den bevorstehenden Krieg noch Mitte Februar 500.000 Menschen auf die Straße.

Hat am Osterwochenende die Eiersuche gegen Friedensengagement gewonnen? Horst Trapp, Mitorganisator vom Ostermarschbüro, hält solche Zahlenspiele für wenig aussagekräftig und glaubt nicht an Demomüdigkeit: „Vor Beginn des Krieges dachten die Leute, sie könnten ihn noch verhindern. Wenn sich die politische Lage zuspitzt, kommen immer mehr.“ Und: Im Vergleich mit den Ostermärschen im Vorjahr seien doppelt so viele Friedensbewegte auf die Straße gegangen. Das zentrale Anliegen der Ostermarschierer war die Ächtung des Irakkrieges, „um jede Wiederholung auszuschließen“, so Trapp. Außerdem steht die Stärkung der Vereinten Nationen auf dem Forderungskatalog der Demonstranten, es gab aber auch Kritik an den geplanten Sozialkürzungen der Bundesregierung. Trapp sagte weiter: „Der Umbau der Bundeswehr und der Sozialabbau hängen eng zusammen.“

Auch wenn es weniger Demonstranten als in den Wochen zuvor waren, ihr Zorn ist nach wie vor groß: Nicht nur Lafontaine, auch seine Frankfurter Vorredner griff die USA scharf an. Mit dem Irak sei ein arabisches Land von den Vereinigten Staaten „hingerichtet“ worden, konstatierte etwa Anne Rieger vom gewerkschaftlichen Netzwerk gegen den Krieg. Und ein Palästinenser skandierte unter – allerdings spärlichem – Beifall der versammelten Friedensfreunde gleich zwei Parolen: „Israelis raus aus Palästina!“ Und: „Amis raus aus dem Irak!“ Rieger hatte zuvor schon dafür plädiert, die in Afghanistan stationierten Bundeswehrsoldaten umgehend zurück nach Hause zu holen, „weil die Amerikaner dort weiter Krieg gegen afghanische Menschen führen“.

In Berlin startete gestern ein Protestzug auf dem „Platz der Vereinten Nationen“, das Straßenschild hatten die ersten der über 2.500 Demonstranten mit dem Schriftzug „Platz der verarschten Nationen“ überklebt. Unter dem weniger polemischen Motto „Frieden und Gerechtigkeit für die Völker – Nein zum Krieg“ lauschten die Berliner nach der Demo einem internationalen Friedenskonzert. Das sich ihre Zahl verringert, störte die Hauptstadtdemonstranten dabei nicht. Erwartbar sei das, so der Tenor unter den Maschierenden, jetzt müsse der Protest eben auf anderen Ebenen weiter gehen.

In Hamburg drängten sich laut Veranstaltern rund 8.000 Protestierende auf der Reeperbahn und zogen – regenbogenfarbene „Pace“-Fahnen in den Händen – weiter zur Abschlusskundgebung auf den Fischmarkt. Schüler, ältere Friedensaktivisten und Familien mischten sich zum größten Ostermarsch seit Jahren in der Hansestadt.

Auch weitab von Städten wie Nürnberg, Dortmund oder Kassel fand eine der größten Kundgebungen in der Kyritz-Ruppiner Heide im Norden Brandenburgs statt. Mehr als 6.000 Menschen wehrten sich nach Veranstalterangaben verbal gegen den Irakkrieg und gegen die geplante Wiederinbetriebnahme eines örtlichen Truppenübungsplatzes. Sie bewiesen Sinn für Originalität und ließen tausende gefaltete Papierkraniche per Luftballon in den Himmel steigen.LJ/KPK/KVK/US