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Papst mit Rückwärtsgang

betr.: „Heiligkeit auf der Bremse“, taz vom 17. 4. 03

Der Papst hat Recht. Wer nicht an das Sakrament der Priesterweihe und des Abendmahls glaubt, kann ja problemlos aus der katholischen Kirche austreten, die anderen bieten ihm dann dasselbe mit weniger Nebenwirkung. Wer dagegen dran glaubt, kann zwischen dem Brot vom Bäcker und dem von einem ungeweihten Hilfsprediger keinen Unterschied erkennen und bekommt das seine eben nur beim geweihten Priester. Mir leuchtet’s ein.

FRANZ KONIECZNY, Barranco, Lima

Philipp Gessler hat nur bedingt Recht, wenn er schreibt: „Protestanten und Katholiken verstehen unter dem Abendmahl beziehungsweise der Eucharistie im Grundsatz theologisch das Gleiche.“ So denken vielleicht viele theologisch uninteressierte Laien in beiden Kirchen, es gilt aber nicht für die „amtlichen“ Lehrmeinungen. Da sind die Auffassungen, und nichts anderes hat der Papst jetzt bekräftigt, heute noch genau so weit voneinander entfernt wie zu Luthers Zeiten. Katholisch: Nach der Wandlung ist die Hostie Christi Leib, der Wein ist Christi Blut. Evangelisch: Das Brot bedeutet Erinnerung an Christi Leib, der Wein bedeutet Erinnerung an Christi Blut.

Dieser Papst mit dem eingebauten Rückwärtsgang erlaubt keine Annäherung beider Ansichten, weil er weiß, dass der religiöse Verstand nur die protestantische Version der Eucharistie zulässt. Dass die katholische Auffassung eine besondere Art des Kannibalismus darstellt, stört ihn als Prediger der Erlösung der Menschen durch Jesu Blut wenig. Die Essener Theologin Prof. Uta Ranke-Heinemann nennt daher das Christentum „eine heidnische Menschenopfer-Religion nach religiösem Steinzeitmuster“ und eine „Dracula-Religion“. Der Paderborner Theologe Eugen Drewermann spricht von einem „Gottesbild der Kleriker, das weit eher dem Gott der Azteken, dem blutrünstig-segnenden Tonatiuh, als dem Vater Jesu Christi entspricht“. Der in Tübingen lebende Schweizer Theologe Hans Küng schließlich fragt, „ob Gott so grausam, so sadistisch sei, dass sein Zorn nur durch das Blut seines Sohnes besänftigt werden könne?“

Übrigens war das Abendmahl im frühen Christentum nicht mehr als ein geselliges Beisammensein zur Nahrungsaufnahme. In seinem ersten Brief an die Korinther tadelt Paulus ausdrücklich die Abendmahlsgäste, weil die einen zu viel getrunken und die anderen zu viel gegessen hätten. Und die Heiligen Katharina von Siena und Therese von Avila, die oft als Zeuginnen für echtes Blut beim Empfang der Kommunion angeführt werden, weil sie selber danach warmes Blut im Mund zu spüren vorgaben, hatten wahrscheinlich nur schlechte Gebisse und dadurch bedingtes Zahnfleischbluten. WERNER ALBERTS, Essen

Niemand bestreitet mehr, dass der Ökumenische Kirchentag in Berlin einen Dammbruch bezüglich der „Abendmahlsgemeinschaft“ herbeiführen und so die Spaltung des deutschen Katholizismus vorantreiben wird. Auch die mahnenden Worte des Papst Johannes Pauls II. können daran nichts ändern. Denn der Papst wird von den Katholiken in Deutschland nur dann gehört, wenn seine Ansichten der eigenen Meinung entsprechen, wie das Beispiel Irakkrieg gezeigt hat.

Dass viele Theologen dem kirchlichen Lehramt in den Rücken fallen und in einer zentralen Frage im Widerspruch zu Lehre und Tradition der katholischen Kirche stehen, braucht niemanden ernstlich zu verwundern. Zu lange haben die Ordinariate zugeschaut, wie in den Gemeinden im liturgischen und seelsorglichen Leben Praktiken eingeführt wurden, die die kirchliche Lehre und Ordnung aus den Angeln gehoben haben. Noch ist nicht ganz klar, ob dies aus Feigheit oder mit klammheimlicher Zustimmung geschah.

In Berlin schlägt deshalb die Stunde der Wahrheit: Niemand kann es den liberalen Reformbewegungen verübeln, dass sie in Berlin lediglich das praktizieren wollen, was „vor Ort“ längst zur Normalität geworden ist. Den katholischen Oberhirten wird gewissermaßen die Rechnung präsentiert für jahrzehntelanges Wegsehen und Vertuschen. HENDRICK JOLIE, Pfarrer, Mühltal

Was der römisch-katholische Vertreter des Vatikans in Deutschland, Erzbischof Giovanni Lajolo, als „wilde Ökumene“ bezeichnet: die gemeinsame Abendmahl-/Eucharistiefeier zwischen Katholisch und Evangelisch, das gibt es längst ganz offiziell. Denn neben der römisch-katholischen gibt es noch eine, wohl aufgrund ihrer geringen Größe oftmals übersehene, kleine katholische Kirche, die bereits seit 1985 mit der EKD eine Vereinbarung zur gegenseitigen Einladung zu Eucharistie/Abendmahl geschlossen hat und die – genau wie die Protestanten – die Ansicht vertritt, dass Jesus selbst zum Abendmahl einlädt und eine Kirche daher gar keine Kompetenz dazu hat, einen Getauften/eine Getaufte, gleich welcher Konfession, von der Eucharistie auszuschließen.

Die kleine alt-katholische Kirche, von der hier gesprochen wird, ist eine vom Papst unabhängige katholische Kirche, die 1870 aus dem Widerstand gegen die Dogmen der Unfehlbarkeit des Papstes und seiner obersten Richtergewalt über die Kirche hervorgegangen ist.

Aus römisch-katholischer Sicht steht sie in der rechtmäßigen „apostolischen Sukzession“ und feiert damit aus römisch-katholischer Sicht alle Sakramente voll gültig. Sie hat eine Kirchenstruktur, in der alle Kirchenglieder zur Mitsprache und Mitentscheidung aufgefordert sind, hat die verpflichtende Ehelosigkeit von Geistlichen abgeschafft und die Weihe katholischer Priesterinnen eingeführt, ermöglicht auch Geschiedenen eine erneute kirchliche Hochzeit und unterhält enge freundschaftliche Beziehungen zu den anderen Kirchen der Ökumene bis hin zur Kirchengemeinschaft mit den anglikanischen Kirchen. Wer sie näher kennen lernen will, findet sie während des Ökumenischen Kirchentages mit verschiedenen Ständen auf der Agora und mit Veranstaltungen im Berliner alt-katholischen Gemeindezentrum. Übers Internet ist die alt-katholische Kirche unter www.alt-katholisch.de zu finden. WALTER JUNGBAUER, Berlin

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