berliner szenen Brot, Butter, Milch

Am Hermannplatz

Am Kartoffelpufferstand am Hermannplatz, vor den Augen der kopflosen Karstadtpuppen, bestellt jemand drei Puffer mit Zotta zum Mitnehmen. Während er wartet, erzählt er uns Mitessern, er sei eben drin gewesen, im Karstadt: „Schnäppchenmarkt und kaum jemand drin!“ Er fummelt sich den Hemdkragen aus dem Schal und erklärt, das Hemd, das er bei Hertie für fünf Euro gekauft habe, koste bei Karstadt 16,80. „Da brauchen sich die nicht zu wundern.“ – „’n Fünfer!“, ruft er und hält den Kragen zum Befühlen in die Runde. Er habe sich gleich drei davon gekauft, das erste könne er jetzt bald wegschmeißen. Für einen Fünfer bekäme man eben keine Qualität.

Um die Ecke auf der Urbanstraße sitzt die Trödlerin mit einer Freundin in ihrer Kassentresenhöhle. Sie erzählt, dass sie am Samstag für sieben Euro nicht viel mehr als Brot, Butter und Milch bekommen habe, und das sei dann auch ihr Sonntagsschmaus gewesen. Brot, Butter, Milch. Die Schildkröte habe eine Gurke bekommen und der Hansi einen Salat, da waren sieben Euro weg. Aber man spare das Mittagessen, rät sie, wenn man spät frühstücke. „Ich esse doch nicht, nur weil die Uhr Mittag sagt. Ist auch besser“, meint sie, „wegen dem hier“, und greift sich in den Deckenwulst, der ihren Unterleib vor der Kälte schützt.

Ob man mir helfen könne, geht die Frage schließlich an mich. Ich erkläre, dass ich einen Bilderrahmen in einem etwas ungewöhnlichen Format suche, aber noch nicht fündig geworden bin. „Ungewöhnliches Format“, meint sie. „Müssense gucken, aber das haben wir dann wohl nicht.“ Genau, haben sie nicht. Auf dem Heimweg brockt die Bild: „Arbeitsamt-Gerster – Jetzt kassiert er 8000 Rente/Monat!“

TOBIAS HERING