freisprüche im kaprun-prozess
: Können Firmen schuldig sein?

Wie kann es sein, dass 155 Menschen sterben – und keiner ist schuld?

Nicht schuldig in allen 16 Fällen. Dieses Urteil von Richter Manfred Seiss im Kaprun-Prozess löste erwartungsgemäß Empörung bei den im gerammelt vollen Saal wartenden Angehörigen der Opfer aus. So verständlich es aus menschlicher Sicht ist, dass Mütter und Väter, die ihre Söhne oder Töchter verloren haben, irgendjemanden für das Unglück büßen sehen wollen, so fragwürdig wäre es gewesen, auf Grundlage unzureichender Beweise einen Sündenbock zu bestimmen.

Nur Menschen, nicht Firmen können schuldig sein, erklärte der Richter seine Entscheidung. Und er hat juristisch gesehen Recht. Das Beweisverfahren hatte die Angeklagten entlastet, menschliches Versagen konnte keinem nachgewiesen werden. So blieb als Schuldige eine ebenso diffuse wie unbefriedigende „Verkettung unglücklicher Umstände“.

Das Strafrecht sieht kriminelle Schuldhaftigkeit juristischer Personen, wie es Konzerne oder Vereine sind, nicht vor. Gewährleistungsmängel genauso wie bewusst begangene – weil vielleicht kostensparende – Serienfehler werden immer von Menschen verursacht oder in Kauf genommen. Kriminelle Firmenpolitik bleibt ein Schlagwort, das auf Konzerne oft angewendet wird.

Aber es kann letztlich nur im übertragenen Sinn zutreffen. Hinter jedem Fehlverhalten, sei es fahrlässig oder beabsichtigt, steckt zumindest ein Mensch.

Der Schuldige für das Brand-Inferno konnte jedoch nicht ausgemacht werden: Im Wintersportland, wo auf fast jeden Alpengipfel eine Seilbahn führt, hatte der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Brandes in einer Standseilbahn nicht vorgesehen. Dementsprechend verstieß die unzureichende Sicherheitslage gegen kein Gesetz. Auch der TÜV hatte jahrelang diesbezüglich keine Mängel beanstandet. So bedurfte es eines tragischen Anlasses, dass diese Lücke geschlossen wurde. Erst im Vorjahr wurden die Brandschutzvorschriften in Seilbahnen gesetzlich geregelt. Der Imageschaden, den die Republik Österreich infolge des Kaprun-Urteils erleiden wird, trifft den Gesetzgeber zu Recht – die Justiz nicht. RALF LEONHARD