190.000 Arbeitslose mehr in Deutschland

Die Bundesregierung plant keine weiteren Konjunkturmaßnahmen – obwohl sich die Wirtschaftslage eintrübt

Jede dritte Firma will Stellen abbauen. Die Stimmung ist so schlecht wie bei der Ölkrise 1973

BERLIN dpa/ap/taz ■ In Deutschland soll die Mehrwertsteuer nicht gesenkt werden, um die Konjunktur zu beleben. „Wir sind erst einmal dabei, unser erstes Paket auf den Weg zu bringen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in Paris. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy will dem Beispiel der Briten ebenfalls nicht folgen.

Derweil bastelt die EU-Kommission an einem Konjunkturprogramm von 130 Milliarden Euro. Aber auch dafür möchte Merkel kein weiteres Geld ausgeben. Das EU-Konjunkturprogramm sei kein „Diktat“ Brüssels, sagte die Kanzlerin in Paris, sondern eher eine „Richtgröße“. Auch Sarkozy befand: „Man kann sehr viel tun, ohne Geld zu mobilisieren.“ Überhaupt, so die Kanzlerin, würden sich die Wirtschaftsprognosen „täglich, fast stündlich“ ändern. Daher will sie abwarten und erst im neuen Jahr mit der SPD über eventuelle Konjunkturmaßnahmen beraten.

Die Wirtschaftslage trübt sich inzwischen weiter ein. Am Montag präsentierten gleich zwei arbeitgebernahe Forschungsinstitute ihre jüngsten Prognosen. Das Münchner ifo-Institut veröffentlichte seinen Geschäftsklimaindex, und dieses Stimmungsbarometer der Unternehmen fiel im November auf den tiefsten Stand seit mehr als 15 Jahren. Die Aussichten für die kommenden sechs Monate wurden sogar so schlecht beurteilt wie zuletzt nach dem Ölpreisschock 1973. Besonders pessimistisch sind der Handel und das verarbeitende Gewerbe. „Es zeigt sich, dass die Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft durchschlägt“, sagte ifo-Experte Klaus Abberger.

Eine Umfrage des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergab, dass nächstes Jahr 35 Prozent der Firmen Stellen streichen wollen. Betroffen seien zunächst Zeitarbeitskräfte. Nach dem Abbau der Arbeitszeitkonten werde es aber auch die Stammbelegschaften treffen. 2009 werde die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt um 190.000 Menschen auf fast 3,5 Millionen ansteigen.

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann bleibt optimistisch. Seinen Mitarbeitern schrieb er jüngst, „langfristig“ habe man das Potenzial, die Rekordgewinne von 2007 „wieder zu erreichen und auch zu übertreffen“.

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