VIELE AUSBILDUNGSPLÄTZE WIRD EINE AUSBILDUNGSABGABE NICHT BRINGEN
: Wirtschaftspolitik statt Wundermittel

Um das „duale System“ der Berufsausbildung wird Deutschland weltweit beneidet. Denn die deutschen Facharbeiter sind ausgesprochen leistungsfähig – und diese Produktivität ist die Grundlage für hohe Löhne. Aber das Duale System ist fragil – denn es beruht darauf, dass Arbeitgeber, denen Kosten für die Ausbildung entstehen, darauf vertrauen können, dass die Ausgebildeten auch später bei ihnen tätig sind. Wenn nun Ausgebildete aufgrund einer schlechten Konjunktur oder aufgrund großer Mobilität der Berufstätigen in großer Zahl nicht bei ihrem Ausbildungsbetrieb bleiben, lohnt sich das Ganze für viele Firmen nicht mehr.

Will man nun durch eine Ausbildungsabgabe diejenigen belohnen, die trotzdem ausbilden, entstehen dadurch nicht unbedingt mehr zukunftsträchtige Ausbildungsplätze. Denn eine Strafe von etwa 100 Euro pro „fehlenden“ Platz ist niedriger als die Kosten, die dieser verursacht. Und aus den Abgaben gezahlte Zuschüsse für Ausbildungsplätze sind eher für Branchen ohne große Zukunftsperspektiven interessant: etwa Metzger oder Anstreicher oder den Staat selbst.

Theoretisch ideal wären „Transferentschädigungen“, wie sie im Fußball gezahlt werden. Wer einen in einem fremden Betrieb ausgebildeten Erwerbstätigen einstellt, der müsste eine „Ablösesumme“ an den Ausbildungsbetrieb zahlen. In der Praxis scheitert dies aber nicht nur am Argument des „Sklavenhandels“ (das wir vom Fußball kennen), sondern auch daran, dass ein Transfersystem aufwendig zu verwalten ist. Bei ein paar Fußballern, die pro Jahr wechseln, ist das möglich. Bei Millionen von Arbeitsplatzwechseln nicht.

Realistisch betrachtet kann der Staat nur durch Überredung und organisatorische Hilfestellungen dabei helfen, dass immer genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Diese Kunst der Überredung darf man aber nicht überschätzen. Wenn Wolfgang Clement sich erinnert, dass er als Ministerpräsident Ausbildungsplätze „geschaffen“ hat, indem er durch NRW reiste und Handelskammern überredet hat, dann wurde er vielfach getäuscht: die Plätze wurden – in Kenntnis des kommenden Besuchs des Ministerpräsidenten – zurückgehalten, damit sich alle feiern lassen konnten.

Realistisch betrachtet: Eine gute Wirtschafts- und Fiskalpolitik, die die Konjunktur anspringen lässt, ist das Beste, was man für die duale Ausbildung tun kann. GERT G. WAGNER

Forschungsdirektor am DIW Berlin und Mitglied der Kommission für den Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung