HAITI, ELFENBEINKÜSTE, KONGO: DAS DILEMMA DER EINGREIFER
: Mit Perspektiven gegen Macheten

Fall eins: In einer Kleinstadt tief in der Elfenbeinküste machen „Einheimische“ gegen „Fremde“ mobil. Arbeitslose Jugendlichen des alteingesessenen Guéré-Volkes, die in „patriotischen“ Milizen organisiert sind, greifen Zugezogene aus dem Nachbarland Burkina Faso an, die seit Jahrzehnten in der Region Kakao und Kaffee anbauen. Einem Burkiner wird nachts die Kehle durchgeschnitten, neun kommen mit Machetenwunden am Kopf ins Krankenhaus. Die in der Nähe stationierten Eingreiftruppen aus Frankreich merken nichts.

Fall zwei: Tief in der Demokratischen Republik Kongo propagieren Milizen die Entfernung aller Angehöriger anderer Ethnien aus ihrer jeweiligen Hochburg und setzen das auch gewaltsam in die Tat um. Nach einem erneuten Massaker dieser Art im Distrikt Ituri gehen Blauhelmeinheiten der Vereinten Nationen auf Beobachtungstour. Auf dem Rückweg werden sie beschossen; ein UN-Soldat stirbt. Wenige Tage später beschießen Angehörige einer anderen Miliz in einem anderen Teil des Distrikts eine andere UN-Patrouille, die Berichten über Vorbereitungen neuer Massaker nachgehen wollte. Verhindern können die UN-Truppen nichts.

Fall drei: Tief in Haiti sind bewaffnete Gegner des Präsidenten Jean-Bertrand Aristide auf dem Vormarsch gegen die Staatsmacht. Ihre Milizen verjagen Vertreter des Staates, herrschen mit Plünderung und Einschüchterung und kündigen immer wieder den Marsch auf die Hauptstadt an. Das Regime verlässt sich auf eigene Milizen, die ebenfalls ihre Gegner mit Gewalt einschüchtern. Eine respektierte Ordnungsmacht gibt es nicht, ein probates Mittel gegen die Spirale der Gewalt ist nirgends in Sicht.

Elfenbeinküste, Kongo, Haiti: So verschieden die drei Länder sind, so ähnlich sind doch die Probleme. Milizen, befehligt von Warlords mit ehrgeizigen und inakzeptablen politischen Zielen, wüten ungehindert, und keine nationale oder internationale Kraft stellt sich ihnen entschlossen genug entgegen. 5.000 französische Soldaten in der Elfenbeinküste reichen nicht einmal, um „ethnische Säuberung“ in der Nähe ihrer Stationierungsorte zu verhindern. 4.800 UN-Blauhelmsoldaten in Ituri irren den Ereignissen hinterher – von einem Massakerort zum nächsten. In Haiti sollen jetzt vier US-Soldaten die Sicherheit der US-Botschaft prüfen, und Frankreich setzt seine eigenen Vorstöße zur Entsendung einer Eingreiftruppe nicht einmal auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates.

All das liegt nicht nur an mangelndem politischem Willen. Im Irak sind mehr ausländische Soldaten mit der Abwehr von Milizen beschäftigt als in allen anderen Krisengebieten der Welt zusammen – und sie schaffen es auch nicht. Das Problem ist im Grunde bekannt: Konfliktlösung in diesen Ländern bedeutet nicht, einen klassischen Militärfeldzug gegen einen formierten Gegner zu führen. Es geht um lokal verwurzelte Banden, diffuser und motivierter zugleich als eine Armee und für Außenstehende schwer zu durchschauen. Wenn diese Gruppen – oft einfach Jugendbanden mit Macheten unter Alkohol – ihr Entstehen einer zentralen politischen Führung verdanken, die sich auch um ihr eigenes politisches Überleben Sorgen machen muss, kann man sie mit schwerer Artillerie beeindrucken. Aber oft sind sie einfach Mitläufer, Produkt eines Machtvakuums und gesellschaftlicher Zerfallserscheinungen.

Mitglieder solcher Milizen wenden sich erst dann dem Frieden zu, wenn der für sie interessanter ist als der Krieg. Wo lokal Arbeitsplätze entstehen oder sichere Betätigungsbedingungen für Händler und Bauern, verlieren Warlords ihre Attraktivität. Internationale Militärinterventionen hingegen, die nicht einfach mal einen bewaffneten Gegner schnell ausschalten, sondern einen politischen Friedensprozess absichern sollen, verursachen oft das Gegenteil. Sie beenden Kriegszustände nicht, sondern frieren sie ein. Durch ihre zur Schau gestellte Feuerkraft werben sie mit dem Glamour der Gewehre und entmachten so lokale Friedenskräfte.

Eingreiftruppen für Haiti? Blauhelme für die Elfenbeinküste? Kampfeinheiten für den Kongo? Nur unter zwei Bedingungen: Sie müssen stark genug sein, ein klares politisches Ziel auch gegen Widerstände durchzusetzen. Und die politischen Konzepte, die ihrem Einsatz zugrunde liegen, dürfen sich nicht darin erschöpfen, die lokale Akzeptanz einer Militärintervention zu gewährleisten; es muss darum gehen, den Aufbau neuer stabiler Verhältnisse in der Gesellschaft zu unterstützen. Das klingt einfach. Aber es ist die schwierigste politische Aufgabe der Welt. DOMINIC JOHNSON