Wollmützenfußball

Der FC Bayern München beklagt ein schwaches 1:0 gegen den Hamburger SV und redet sich reif für Real Madrid

MÜNCHEN taz ■ Was soll man manchmal auch sagen als Fußballprofi des FC Bayern, in all die Mikrofone, die nach dem Spiel durch die Katakomben des Olympiastadions getragen werden? Da haben sie gerade 1:0 gegen den HSV gewonnen. Den Abstand auf Werder Bremen haben sie auf sieben Punkte verkürzt, so gesehen sind sie der Gewinner dieses Spieltags. Aber: Es war ein „bescheidenes Spiel“ (Karl-Heinz Rummenigge), keines, das auch nur ansatzweise in der Lage wäre, Selbstvertrauen zu begründen. „Das ist nicht der FC Bayern, den wir kennen“, kommentierte Rummenigge frustriert. Und plötzlich sollten sie trotzdem reden, über ein Phänomen, über ihr Schicksal, über das, was auszusprechen gerade noch strengstens verboten war: Real Madrid.

„Na ja“, sagte Bixente Lizarazu, „wenn ich sagen würde, wir haben keine Chance, wäre ich Pessimist. Aber ich bin Optimist.“ Man müsse eben „alles ein bisschen besser machen“, orakelte Roque Santa Cruz. Und Trainer Ottmar Hitzfeld entschuldigte die Leistung seiner Mannschaft damit, dass „die Gedanken schon sehr weit weg“ gewesen seien. (Der gleiche Hitzfeld übrigens, der bisher so getan hatte, als könne man Gedanken an das Champions-League-Spiel am Dienstag per Beschluss des Mannschaftsrates verbieten.) Jetzt also dürfen sie nachdenken – und sollen trotzdem keine Angst bekommen! Vor Irreal Madrid, vor L’Oréal Madrid, vor der Verkörperung des kreativen und perfekt gestylten Offensivfußballs. Sie verkrochen sich unter ihren Wollmützen, so wie ungezogene Kinder schon im Schrank verschwinden, lange bevor der strenge Vater nach Hause kommt.

Es war eben nicht zu erklären: Warum soll Hasan Salihamidzic den Ball nicht wieder sinnlos ins Aus stolpern, wenn er gegen David Beckham spielt anstatt gegen Mehdi Mahdavikia? Warum sollen die Pässe des überforderten Owen Hargreaves plötzlich ankommen, wenn Roberto Carlos ihn bedrängt und nicht Stefan Beinlich? Warum sollen Ecken und Freistöße nicht erneut beim erstbesten Gegenspieler landen? „Was soll man sagen.“ Roque Santa Cruz lächelte wie stets. „Wir müssen dem Glück eben ein bisschen helfen.“

Am Samstag sah es allerdings lange so aus, als bräuchten die Bayern selbst Hilfe. Einen Crashkurs in Standardsituationen zum Beispiel und eine Nachhilfestunde zum Thema Spielaufbau. Bis zur 66. Minute musste HSV-Torwart Stefan Wächter keinen einzigen Ball parieren, in Worten: keinen einzigen. In der 87. Minute traf dann Martin Demichelis völlig überraschend zum 1:0. Es war ein klassischer Angriff: Öffnender Pass (Schweinsteiger), Vorstoß zur Grundlinie (Santa Cruz), flacher Ball in den Rücken der Abwehr, Direktabnahme, Tor. So einfach wäre der HSV auszuspielen gewesen, aber die Bayern haben es 86 Minuten lang einfach nicht versucht. Stattdessen versuchten sie im Nachhinein das eigene Unvermögen zu erklären: Man habe „gegen eine sehr kompakte Mannschaft spielen müssen“, sagte Sebastian Schweinsteiger, als Vertreter des an Bronchitis erkrankten Michael Ballack noch einer der Aktivsten auf dem Platz. Nur einer konnte zufrieden sein: Debütant Michael Rensing, 19 Jahre, jüngster Torwart der Liga, der kurzfristig für Oliver Kahn einspringen musste. Am Dienstag im Achtelfinalhinspiel der Champions League gegen Real Madrid soll Kahn (Rückenprobleme) aber wieder dabei sein. Fragezeichen stehen dagegen hinter Ballack, Pizarro und Robert Kovac.

Vielleicht taugt ja die Verletzten-Liste als Ausrede. Intern ringen die Bayern jedenfalls schon nach Worten, um die drohende Champions-League-Pleite zu verkaufen. Doch wenn vieles falsch läuft, sind richtige Worte schwer zu finden. Nach der Niederlage in Bochum hatte Manager Uli Hoeneß verbreitet, die gute zweite Halbzeit stimme ihn wahnsinnig optimistisch. Diesmal sagte Schweinsteiger: „Eine schlechte Halbzeit mit Tor ist mir lieber als eine gute Halbzeit ohne Tor.“ Nicht dass die Bayern jetzt durcheinander kommen bei der Frage, an welchem ihrer missglückten Spiele sie sich nun aufrichten sollen. Zu befürchten: zwei schlechte Halbzeiten ohne Tor. CLAUDIO CATUOGNO