Biokost wird langsam schick

BioFach2004 zelebriert das Recht auf Genuss – mit Chicken Wings und Schokostäbchen. Die Globalisierung hat die Branche mittlerweile erreicht

NÜRNBERG taz ■ Nacho-Dipp, Tiefkühlbrötchen, Lakritz und frittierte Chicken Wings – den angepriesenen Produkten auf der BioFach2004, der internationalen Fachmesse der Biobranche in Nürnberg, sieht man das „Öko“ nicht an. Eingeschweißtes Obst glänzt den Besucher an, Fertiggerichte sollen gesundheitsbewusste Singles überzeugen. „Die Konkurrenz in Europa hat zugenommen“, sagt Marita-Odia, Mitglied der Jury zur Auszeichnung des „Produkt des Jahres 2004“. Geschicktes Marketing werde immer wichtiger. Den ersten Preis erhielt denn auch ein Schokostäbchen mit Espresso-Füllung namens „Latte Macchiato-Stick“ der Firma Rapunzel. Italienischer Kaffee ist schick.

Andererseits wollen schicke Menschen auch immer gesünder werden, und so entdecken Feinkosthandel und Gourmet-Restaurants den Biogeschmack. „Wir wollen keine Herde von Schafen sein, die nur noch gemästet werden“, sagt Carlo Petrini, Präsident von Slow Food International. Die Branche fordere das „Recht auf Genuss“.

Derweil wächst der Weltmarkt für Bioprodukte. Seit dem Jahr 2000 haben sich laut der Internationalen Dachorganisation der Anbauverbände im Ökolandbau (Ifoam) die weltweiten Anbauflächen auf 24 Millionen Hektar verdreifacht. Haupterzeugerländer sind Australien, Argentinien, Italien, die USA und Brasilien. Den größten Markt für Bioprodukte bieten jedoch nach wie vor die Industriestaaten: in Europa zuallererst Deutschland, gefolgt von Großbritannien.

„Wir wollen die Globalisierung von Bioprodukten“ erklärt Ifoam-Chef Berward Geier. Für Kleinbauern im Süden sei die Ökolandwirtschaft ohnehin oft die günstigere Alternative. Arbeitskräfte seien vergleichsweise billig und man spare die hohen Kosten für chemische Dünge- und Spritzmittel. Die Qualitätsstandards für den internationalen Handel könnten sie allerdings nicht erfüllen.

Für Geier ist das vor allem ein Problem der Selbstorganisation. Zusammen mit der Food and Agriculture Organisation (FAO) der Vereinten Nationen arbeitet die Ifoam deshalb an Stichprobensystemen, die jetzt auch Kleinbauernkooperativen den Marktzutritt erleichtern sollen. Das stößt mitunter auf Widerstand aus Brüssel: „Manchmal wirkt es so, als wolle die EU immer höhere Hürden setzen“, kritisiert Ifoam-Manager Thomas Cierpka. Doch um zur globalisierten Biowelt zu gehören, sind Größe und Finanzkraft entscheidend. „Der Marktzutritt ist kein Thema des Südens allein“, so Geier.

Das zeigt Schweden. Dort sind nur sieben Prozent der bewirtschafteten Bioflächen zertifiziert. Tatsächlich sollen es aber etwa 16 Prozent sein. Viele nordschwedischen Kleinbauern arbeiten biologisch, verkaufen ihre Produkte aber konventionell auf lokalen Märkten. Alles andere wäre für sie zu teuer. Schweden produziert vor allem Biogetreide, ein Großteil für den Export. Den kontrolliert dann fast eine Firma allein. Auf dem Werbeprospekt glänzt ein leuchtend-gelbes Weizenfeld, über das ein riesiger Mähdrescher zieht. Biologisch geht eben auch konventionell. DANIELA ENGLERT