das wort zum sonnabend
: Kleine Bremer Farbenlehre

Tief eingetaucht ist Kristo Šagor in Bremens Mix aus Nordischem und Klein Berlin. Zur Zeit Hausautor am Bremer Theater, holt er für die taz samstags Perlen aus dem hanseatischen Schlick.

Ich bin der letzte Mensch. Die Innenstadt ist ausgestorben. 1 Uhr morgens, Werktag. Die letzte Straßenbahn nach Woltmershausen habe ich verpasst, ich habe zu lange am PC im Theater gesessen. Also Taxi. Ach nee, ich habe ja gar kein Bargeld dabei. Also noch schnell was abheben bei meiner gelben Hausbank. Aber schon bevor ich versuche, die elektronischen Türen mit meiner Karte zu öffnen, fällt mir ein, da kommt man nachts ja gar nicht rein. Früher irritierte mich der schlafende Obdachlose hinter den Topfpflanzen im Eingangsbereich, störte mich sein Uringeruch, gelbe Bank, gelber Geruch, heute stört mich, dass ich mit meiner gelben Karte nicht an mein Geld komme, um unter dem gelben Taxischild nach Hause zu fahren. Also stapfe ich wütend weiter zur dunkelblauen Bank. Bei der Konkurrenz abzuheben, kostet Gebühren, aber es ist kalt, und ich will nach Hause. Doch auch die dunkelblaue Bank sieht keine Nachtgestalten wie mich vor, wieder komme ich nicht rein. Auf dem Weg zu meiner zweiten Hausbank, der hellblauen, lasse ich die rot-weiße links liegen, mein Instinkt sagt mir, da komme ich eh nicht rein. Aber natürlich öffnet meine Karte auch die Tür der hellblauen Bank nicht, und schon sehe ich mich frierend durch die Straßen stiefeln. Da versuche ich einfach, die Tür mit der Hand aufzustoßen, innen ist ja Licht, und, hurra, die Tür geht auf! Hinten links ein Obdachloser, aber ich rieche nichts. Ich schiebe meine Karte rein, der Automat verweigert mir das Geld. Ich sollte mein Konto kündigen. Ich, verzweifelt auf dem nächtlichen Domshof. Natürlich sehe ich die grüne Bank gegenüber, aber warum sollte gerade die mir Geld geben? Zwei Jugendliche mit Kebabs kommen mir entgegen. Ob sie einen Automaten wüssten, an den man direkt herankommt? Der Rechte: „Nein, da weiß ich konkret keinen.“ Der Linke, mamfend: „Probier doch die da!“ Er zeigt auf die grüne Bank, und achselzuckend versuche ich mein Glück.

Ich komme rein. Der Automat nimmt die Karte. Aber er gibt mir kein Geld. Wieder meldet sich mein Instinkt, und ich versuche nochmal die andere Karte. Und, hurra, noch nie habe ich mich so über einen Geldschein gefreut! Das Bremer Grün hat mich gerettet, ich werde Werder-Fan! Im gelben Taxi dann der Taxifahrer: Genau dieselbe Geschichte habe ihm gestern ein anderer Kunde erzählt. Er wiederholt mehrmals: „Genau dieselbe Geschichte.“ Nur habe der andere Kunde es auch noch bei der rot-weißen Bank versucht. Ich bin also doch nicht letzte Mensch. Der vorletzte.

Kristo Šagor