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: Krieg ist leichter als Rechtsprechung

Nummer 43. Tarik Asis, der ehemalige Vizepräsident des Irak, steht weit unten in der Hierarchie der von den USA meistgesuchten Iraker. Jetzt hat er sich selbst den US-Truppen gestellt und wartet gemeinsam mit den anderen gefangenen ehemaligen Führungsmitgliedern auf einen Prozess.

Kommentar von BERND PICKERT

Natürlich muss der Versuch unternommen werden, die Jahre der Diktatur, in der Menschen gefoltert, ermordet und verschleppt wurden, auch strafrechtlich aufzuarbeiten. Dabei müsste der erste Schritt sein, die Wahrheit herauszufinden und den Opfern und ihren Angehörigen zu vermitteln, dass sie und ihr Leid ernst genommen werden. Erst an zweiter Stelle kann die Frage nach verantwortlichen Personen und ihrer individuellen strafrechtlich relevanten Schuld stehen.

In anderen Ländern haben diese Prozesse, ob in Wahrheitskommissionen, nationalen oder internationalen Gerichtsverfahren, auch stets zur Versöhnung beigetragen oder doch wenigstens einen Neuanfang ohne die hohe Hypothek ungesühnter Verbrechen ermöglicht. Diese Aufgabe steht jetzt auch im Irak an. Nur: Wer soll sie übernehmen? Die drei Modelle, die im Gespräch sind – US-Militärtribunale, irakische Justiz mit US-Beratung oder ein UN-Tribunal – scheinen unzureichend oder ungeeignet. Eine unabhängige Justiz im Irak selbst gibt es nicht. Zwar kann sicher auf lokale islamische Rechtsgelehrte zurückgegriffen werden. Doch um Iraks Nürnberger Prozesse zu führen, genügt das nicht. Zumal etwa die Schiiten bei ihrem Aufstand 1991 gezeigt haben, was sie von rechtsstaatlichen Verfahren hielten: Reihenweise wurden Vertreter des Saddam-Regimes gelyncht, bevor die Aufständischen selbst umgebracht wurden.

Reine US-Militärtribunale sind leichter zu handhaben – würden aber vermutlich als pure Siegerjustiz und daher als wenig legitim angesehen.

Bleibt der Weg eines internationalen Tribunals. Das müsste der UN-Sicherheitsrat beschließen und finanzieren. Und das, obwohl seine Mitglieder – insbesondere Frankreich, Russland, Deutschland und die USA – selbst auf der Anklagebank zu landen drohen, wenn die alte irakische Führung vor Gericht aussagt, wer sie wie in den 80er-Jahren unterstützt hat. Und so ist dieses Modell unwahrscheinlich, auch wenn es nach Lage der Dinge die beste der denkbaren Lösungen wäre. Recht durchzusetzen ist also wieder einmal viel schwieriger, als einen Krieg zu gewinnen.