In den Fängen des Diktators

Jahrelang war Dr. Basri Saddam Husseins Leibarzt. Dann kam er ins Gefängnis. Heute erzählt er sein Leben – eine erschütternde Geschichte über Saddam Husseins Irak, die jetzt ans Tageslicht kommt

BERLIN taz ■ Die Zellen im Gefängnistrakt von Dr. Basri waren drei mal drei Meter groß und fensterlos. Zwischen rot gestrichenen Wänden, beleuchtet von einer roten Glühbirne, saßen Häftlinge monatelang und oft ohne Ausgang in Isolationshaft – unter ihnen auch der einstige Leibarzt von Saddam Hussein, der 1990 in Ungnade fiel, bis 2002 im Gefängnis saß und seine Geschichte jetzt in Bagdad der taz erzählte.

Ibrahim Abdel Sattar al-Basri berichtet vom Leben ganz oben und ganz unten – zunächst im Umfeld des irakischen Diktators, später in den Kerkern der Geheimdienste mitten in Bagdad. Er erlebte, wie Saddam Hussein einen Mann seinen Hunden zum Fraß vorwarf – und wie Häftlinge lebendig begraben wurden. „Du musst den Körper für deine Seele opfern“, beschreibt der 61-Jährige seine Überlebensstrategie.

In seinem Haus in Bagdad hat Dr. Basri ein Bild ausgestellt, das er während seiner Arbeit als Leibarzt heimlich malte: eine Landkarte des Irak voller Totenköpfe, davor Saddam Husseins lachendes Skelett. Und er hat eine Partei gegründet, mit der er später – wenn die jetzige „Zeit der Opportunisten“ vorbei ist – politisch aktiv werden möchte.

Dr. Basris Geschichte ist eine von vielen, die nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein im Irak erzählt werden und die allmählich das Ausmaß der Schreckensherrschaft deutlich machen. Es gibt noch andere: zum Beispiel die von dem Friedhof in der Nähe des Gefängnisses Abu Ghraib im Westen Bagdads, wo jeden Mittwoch die frisch getöteten Häftlinge begraben wurden – mit Seriennummern ausgestattet. Die Totengräber wissen, wer sich hinter manchen dieser Ziffern verbirgt, und nach Angaben des Friedhofsdirektors Mohymid Assuad liegen allein in Bagdad 6.000 ermordete politische Gefangene verscharrt. Traumatisierte Hinterbliebene suchen unter den Zementböden der Gefängnisse in Basra und anderen Städten nach den Toten, und zuweilen wähnen sie noch die Schreie der Verschwundenen hören zu können.

Wenn nicht nur die Opfer, sondern auch die Täter aussagen, wird es vielleicht möglich sein, die Fragen von Hinterbliebenen zu beantworten und Wahrheitsfindung zu betreiben. In US-Gewahrsam ist seit Donnerstag Iraks früherer Vizepremierminister Tarik Asis. Von ihm erhoffen sich die USA Auskunft über das Schicksal Saddam Husseins. Und gestern wurde bekannt, dass die US-Streitkräfte im Irak den früheren Geheimdienstchef Faruk Hidschasi festgenommen haben. Er müsste vieles über politische Verfolgung berichten können.

Eine Million Menschen, so schätzt die deutsche „Gesellschaft für bedrohte Völker“, fielen dem Baath-Regime zwischen 1968 und 2003 zum Opfer. Andere Menschenrechtsorganisationen wagen sich noch nicht an eine Gesamtschätzung heran. Erst müssen die Iraker ihre Geschichten erzählen. Zum ersten Mal können sie das jetzt tun. D. J.

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