Hilfe für Ess-Gestörte

Erstmals gibt es in Bremen eine zentrale Beratungsstelle für Magersüchtige, Bulimikerinnen und Esssüchtige. Auch Angehörige und LehrerInnen können sich dort weiter helfen lassen.

taz ■ Magersüchtig. Bulimiekrank. Esssüchtig. Wer so weit ist, sich eine dieser Suchtkrankheiten einzugestehen, kann sich in Bremen seit dem 1. April an eine zentrale Beratungsstelle wenden. Das vom Bremer „Arbeitskreis Ess-Störungen“ initiierte Beratungszentrum in der Neustadt soll die erste Anlaufstelle sein, von der aus dann gegebenenfalls an andere Einrichtungen oder TherapeutInnen weiterverwiesen werden kann. Auch Wartezeiten, bis ein Therapieplatz frei wird – was häufig bis zu einem dreiviertel Jahr dauern kann – können überbrückt werden. „Eine Therapie findet hier aber nicht statt“ betont eine der drei Mitarbeiterinnen, die Sozialpädagogin Peggi Nischwitz.

Das Besondere am Beratungszentrum: Es ist offen für alle, die einen Rat brauchen, also sowohl für Betroffene und deren Angehörige oder Freunde als auch für LehrerInnen oder andere, die sich beruflich mit dem Thema befassen. Bisher gab es in Bremen nur Angebote, die sich an eine bestimmte Personengruppe richten, wie zum Beispiel die Selbsthilfegruppe für Eltern. Am häufigsten betroffen von den lebensgefährdenden Suchtkrankheiten sind Mädchen und junge Frauen. Sie finden Hilfe und Therapieangebote im Mädchenhaus. Ältere Frauen oder gar Jungen und Männer mussten die Mitarbeiterinnen an die Beratung der städtischen Suchtprävention verweisen, wo die Pädagogin Margrit Hasselmann von Jahr zu Jahr mehr Essgestörte vor sich sitzen hatte. „Ich ersticke in Essstörungen“, sagt sie. Als Ausweg gründete sie das Institut für Suchtprävention (ISAPP), unter dessen Dach auch die Internetberatung „Schlaraffenland“ arbeitet und das jetzt auch die Trägerschaft für die neue Beratungsstelle übernommen hat. „Die Finanzierung ist zwar zunächst nur für ein Jahr gesichert, aber wir haben uns entschieden, dennoch anzufangen – der Bedarf ist einfach zu groß.“ In Zahlen ausgedrückt: Nach einer Statistik der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen sind ein Prozent aller Mädchen und Frauen zwischen sieben und vierzig magersüchtig, drei Prozent leiden an Bulimie (Ess-Brech-Sucht) und 25 Prozent werden als esssüchtig eingestuft. „Und die Dunkelziffer ist noch um ein Vielfaches höher“, sagt die Expertin Hasselmann. Ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Körper haben im übrigen nicht nur pubertierende Mädchen. Zu Margrit Hasselmann kommen immer mehr Jungen und Männer. Besonders alarmierend: Auch Kinder unter zehn haben das Hungern oder Essen und Brechen für sich entdeckt, um mit anderen Problemen fertig zu werden.

Dennoch hält sich der Senat mit einer Unterstützung dieser Präventionsmaßnahmen zurück – weder das Schlaraffenland noch die Beratungsstelle kriegen einen Cent öffentlicher Gelder. Einen Teil übernimmt die Stiftung „Aktion Mensch“, eine andere Stiftung würde spenden, wenn die langfristige Finanzierung gesichert ist. Die Sozial- und Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD) halte das Projekt für sehr wertvoll und unterstütze es „ideell“, sagt ihre Sprecherin.

Aber auch wenn die Beratungsstelle dank Sponsoren oder Spenden überlebt – den Weg dorthin finden nur diejenigen, die wissen, dass sie ein Problem haben oder wenn Eltern oder LehrerInnen darauf aufmerksam werden. Deshalb wünscht sich die Mädchenhaus-Mitarbeiterin Ruth König – die sich auch im Arbeitskreis engagiert – noch mehr niedrigschwellige Angebote in Jugendeinrichtungen: „Unsere Forderung ist jeweils eine halbe Stelle“. Doch davon ist man in Bremen weit entfernt. Und in Bremen Nord gibt es gar nichts Vergleichbares. Eiken Bruhn

Pappelstraße 31/33 (Eingang Elbstraße), ☎ 597 87 16