Haiti ist zweigeteilt

Rebellen besetzen mit Cap Haïtien die zweitgrößte Stadt des Landes. Port-au-Prince feiert derweil Karneval

SANTO DOMINGO taz ■ Während sich in Port-au-Prince eine internationale Delegation bemüht hat, Präsident Jean-Bertrand Aristide mit seinen bürgerlichen Opponenten an den Verhandlungstisch zu bringen, schufen die bewaffneten Rebellen Fakten. Etwa 150 von ihnen besetzten nach einem Überraschungsangriff die zweitgrößte Stadt des Landes, Cap Haïtien. Faktisch beherrscht die so genannte „Front zur Befreiung und des nationalen Wiederaufbaus“ jetzt mehr als die Hälfte Haitis.

Nach Schießereien gelang es den schwer bewaffneten Rebellen am Sonntagnachmittag, das Zentrum der Hafenstadt im Norden einzunehmen. Die Polizeistation und die Haftanstalt wurden in Brand gesteckt. Laut Augenzeugen starben mindestens acht Menschen bei Schießereien. Bewohner plünderten Supermärkte und Lagerhallen.

Erstmals griffen Rebellen auch Ortschaften in der unmittelbaren Umgebung der Hauptstadt Port-au-Prince an. Sie wurden jedoch von bewaffneten Lavalas-Mitgliedern zurückgeschlagen. Trotzdem kündigten die Rebellen an, die Hauptstadt in zwei bis drei Tagen zu erobern.

Die internationale Delegation reiste noch am Sonntag aus Port-au-Prince ab. Ihr Vermittlungsversuch scheint gescheitert. Zwar erklärten Mitglieder der in der „Demokratischen Plattform“ vereinten Gruppen, noch am Montagabend werde eine endgültige Entscheidung über den Vermittlungsvorschlag der Karibikstaaten (Caricom) getroffen. Aristide hat dem bereits schriftlich zugestimmt. Die „Demokratische Plattform“ war bisher jedoch nur zu Verhandlungen bereit, wenn Aristide zurücktritt. Der Vorschlag sieht eine Regierungsbildung unter Einbeziehung der „demokratischen Opposition“ vor, garantiert aber Aristide die verfassungsgemäße Beendigung seiner bis zum 7. Februar 2006 dauernden Amtszeit.

Frankreichs Außenminister Dominique de Villepin rief am Montag Franzosen zum Verlassen Haitis auf. Laut Villepin sei Frankreich bereit, Truppen als Teil einer Friedenstruppe mit UN-Mandat in die Karibikrepublik zu entsenden. In Haiti leben auch 250 bis 300 deutsche Staatsbürger. Die deutsche Botschaft hatte schon vor zweieinhalb Wochen allen Deutschen die Ausreise empfohlen.

Ungeachtet der Kämpfe im Norden feierten am Sonntag tausende Menschen rund um den Präsidentenpalast in Port-au-Prince stundenlang zur landestypischen Rara-Musik den traditionellen Karneval. Dabei wurden bei einer Explosion eine Jugendliche getötet und zwei weitere Personen verletzt. Die Ursache der Explosion, die eine Panik auslöste, war zunächst unklar.

HANS-ULRICH DILLMANN

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