Ende der Zurückhaltung

Mit dem Ehrenmal soll auch das Einsatzrisiko für die Soldaten als neue Normalität anerkannt werden

VON ULRIKE WINKELMANN

„Den Toten unserer Bundeswehr. Für Frieden, Recht und Freiheit“: Diese Widmung soll an der orangegoldenen Seite des Ehrenmals stehen, dessen Grundstein Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am heutigen Donnerstag auf dem Hof seines Ministeriums legen will.

Die Formulierung legt zwar nahe, dass die rund 2.900 Angehörigen der Bundeswehr, die seit 1955 „im Dienst ums Leben gekommen sind“ (Bundeswehr), für Frieden, Recht und Freiheit gestorben sind. Doch ist diese Auslegung nicht zwingend. Man könnte ebenso gut verstehen, dass das Ehrenmal den Toten zugedacht ist, es aber außerdem für Frieden, Recht und Freiheit werben soll. Wer will, kann also die Todesopfer den höheren Zwecken Frieden, Recht und Freiheit zuordnen. Wer dies für unangemessen hält, kann es sein lassen.

Doch mag zum Beispiel der Verteidigungsexperte der Linksfraktion Paul Schäfer das Ehrenmal nicht, und er kommt auch nicht zur Grundsteinlegung. „Über eine Gedenkstätte kann man sprechen“, sagt er. „Aber mit diesem Ehrenmal wird erst einmal in Stein gemeißelt, dass es ehrenvoll ist, im Krieg zu fallen.“

Er wolle das Bedürfnis der Soldaten und ihrer Angehörigen nach Anerkennung des so stark gewachsenen soldatischen Berufsrisikos „nicht menschenverachtend wegschieben“, sagt der Verteidigungsexperte Schäfer. Doch hätte er sich gewünscht, dass ein Gedenkort „den mahnenden Charakter stärker betont“ hätte, stärker zum „kritischen Gedenken“ einladen würde als der goldbronzene Kasten am Verteidigungsministerium in Berlin.

Doch was wäre ein kritisches Gedenken der Institution Bundeswehr? Wäre von ihr – und von Minister Jung, der das Ehrenmal als sein Vermächtnis betrachtet – so etwas überhaupt zu erwarten? „Man knüpft an die deutsche Nationalgeschichte, die deutsche Militärgeschichte vor 1949 an“, sagt der Militärhistoriker Wolfram Wette. „Die Politik der Zurückhaltung der vergangenen sechs Jahrzehnte soll zugunsten einer neuen Normalität beendet werden – auch symbolisch.“

Jung selbst erklärt, ihm sei der Gedanke für ein zentrales Ehrenmal bei seinem ersten Truppenbesuch in Afghanistan 2005 gekommen. Zwar sind die allermeisten der bisher gezählten 2.900 Todesopfer bei Verkehrs- und ähnlichen Unfällen umgekommen. Durch feindliche Attacken sind in Afghanistan zum Beispiel bislang 14 Soldaten gestorben. Für sie haben die meisten Verteidigungspolitiker in jüngster Zeit auch den Begriff der „Gefallenen“ wieder eingeführt. Doch legt die Bundeswehr Wert darauf, dass es grundsätzlich keinen Unterschied gebe zwischen einem Soldaten, der in Kundus auf einen Sprengsatz fährt, und dem Piloten eines Starfighters, der in den 1960er-Jahren wegen eines Maschinenproblems abgestürzt sei.

Jung hätte seine seine Ehrenmal-Idee vermutlich allerdings nicht gehabt, wenn es um ein zentrales Betrauern von Verkehrsunfallopfern ginge. Es gelingt ihm nur nicht, die neue militärische Einsatzrealität einer überwiegend kritischen Bevölkerung so nahezubringen, dass gleichzeitig das Bedürfnis der Bundeswehr nach Anerkennung und eine demokratische, offene Diskussion bedient werden. So hat Jung auch die Konzeption des Ehrenmals einer handverlesenen Kommission übertragen, statt eine öffentliche Ausschreibung zu organisieren.

Der grüne Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei mag das Ehrenmal als solches gar nicht kritisieren. Er hält es auch für unbestreitbar, „dass der Gestorbenen und Gefallenen würdig gedacht“ werden müsse. Doch habe Minister Jung nun in selbstbezüglicher und undemokratischer Weise eine „Separatlösung“ auf seinem eigenen Ministeriumsgelände geschaffen, statt die Diskussion für alle zu öffnen – etwa für einen „Erinnerungsort“ beim Bundestag. „Schließlich ist schon die Suche nach angemessenen Wegen der Erinnerung unverzichtbarer Bestandteil des öffentlichen Gedenkens. So etwas kann man nicht dekretieren“, sagt Nachtwei.