Klinkenputzen für ausländische Azubis

Lehrstellenmangel hin, Abgabedebatte her: Ausländische Jugendliche haben es in Köln immer noch schwerer, eine Ausbildungsstelle zu finden. Von Immigranten geführte Unternehmen bieten in letzter Zeit Chancen für den Nachwuchs

Endlich mal ein Arbeitgeber, der nicht über die schlechte Qualifikation der Schulabgänger klagt. „Ich hatte eine Menge Bewerber mit guten Noten“, versichert Ahmet Nuri Vidinli, Direktor der IS Bank, Zweigstelle Köln. Die große türkische Privatkundenbank beschäftigt in der Hauptverwaltung Frankfurt und 12 deutschen Filialen rund 150 Mitarbeiter, hat bisher aber nicht selbst ausgebildet.

Wie viele Führungskräfte ausländischer Herkunft wusste auch Vidinli nicht, dass er Lehrlinge ausbilden darf. Unternehmer mussten in Deutschland bisher immer eine IHK-Prüfung zum Ausbilder ablegen – das kostet Zeit und ist inklusive Lehrgang ein Kostenfaktor von 500 Euro. Im letzten Jahr wurde diese Prüfung für Arbeitgeber mit besonderer Eignung ausgesetzt, erst einmal für fünf Jahre. „Ich bin seit über 12 Jahren im Bankgeschäft und habe einen Antrag bei der IHK gestellt, dies anzuerkennen. Es hat geklappt“, freut sich Vidinli.

Auf die Idee gebracht hat ihn Hümeyra Günay, die über das Arbeitsamt von der Verordnungsänderung erfuhr. Durch ein Jahrespraktikum kannte sie die IS Bank schon und machte Vidinli auf die Änderung aufmerksam. „Ich habe Glück gehabt, diese Stelle zu bekommen“, sagt die Fachoberschulabsolventin. „Viele meiner türkischen Klassenkameraden werden Groß- und Einzelhandelskaufmann oder gehen aus Mangel an kaufmännischen Lehrstellen direkt ins Studium. Einige stehen immer noch auf der Straße.“

Der Mangel hat System: Laut IHK-Statistik ist bei den 18- bis 25-jährigen Jugendlichen in Köln zwar jeder Dritte ausländischer Herkunft, sie stellen aber nur rund 15 Prozent der Auszubildenden. Bei den deutschen Unternehmen wirbt das Projekt „Berufliche Erstqualifizierung von Nachwuchskräften mit Migrationshintergrund“ (BQN) schon seit Jahren für die Einstellung ausländischer Azubis. Jetzt wollen die Fachleute gezielt in von Immigranten geführte Unternehmen gehen und über Ausbildungsmöglichkeiten informieren. „Das ist ein bisschen wie Klinkenputzen, und persönliche Kontakte sind dabei das A und O“, sagt BQN-Leiter Wolfgang Fehl. In diesem Jahr sind 50 neue Lehrstellen in ausländischen Unternehmen das Ziel seiner Werbeaktivitäten. Letztes Jahr waren es 25. Vidinli will bei seinen Kollegen für Lehrstellen werben. „Es ist ganz einfach: Ich bekomme qualifizierten Nachwuchs, der mit den Besonderheiten des Betriebes vertraut ist.“ Die IS Bank profitiere davon, dass türkische Jugendliche die Gepflogenheiten des Mutterlandes kennen. Sie biete aber auch handfeste Vorteile: „Auszubildende können viel bei uns lernen – nicht nur über das türkische Bankgeschäft, sondern auch das Marktgeschehen in Deutschland. Wir sind in vielen Ländern präsent.“

Die Informationsarbeit das BQN findet er vorbildlich. „Sie könnte sogar noch effektiver sein“, regt Vidinli an. „Viel läuft über persönliche Gespräche, die klassische Mundpropaganda. Das kann man sich zu Eigen machen, indem man Zentralen anspricht. Es gibt einige ausländische Banken mit Hauptsitz in Frankfurt. Wenn die Bescheid wissen, geben sie das Wissen an alle Zweigstellen weiter.“

Viel Potenzial liegt noch brach. Wird der Ausbildungsstandort Deutschland schließlich gar von Immigranten gerettet? Das wäre zu hoch gegriffen: Noch liegt die Ausbildungsquote unter dem Niveau deutscher Betriebe. INGRID BÄUMER