Als gäbe es den Weltkrieg nicht

Star-Hornist Radovan Vlatković setzte anbiedernder Strauss-Ästhetik in der Glocke einen perfekten Ton entgegen

Dass Radovan Vlatković einer der besten Hornisten der Welt ist, beweist der gebürtige Zagreber in diesem Frühjahr noch viermal in Bremen: Als „Artist in Residence“ leitet er im März einen Workshop für „Hornprofis“, spielt bei den Philharmonischen Kammerkonzerten das Hornquintett von Mozart und interpretiert im April das Solohorn in Olivier Messiaens „Des Canyons aux Étoiles“. Vergangenen Montag war Vlatković der Solist des Hornkonzertes Es-Dur von Richard Strauss im letzten Philharmonischen Konzert in der Glocke.

An diesem Abend musste man sich allerdings an die Perfektion seiner Töne halten, hinreißend sein Legato, so leise, warm und weich, dass man gar nicht mehr meint, ein Horn zu hören. Denn wofür Vlatkovićs Können eingesetzt wurde, ist eine anachronistische, auch anbiedernde Ästhetik: Richard Strauss schrieb 1942 (!) ein süffiges, unterhaltsames Es-Dur, als gäb‘s den Weltkrieg nicht und als gäb‘s die Musik des zwanzigsten Jahrhunderts mit ihren Säulen Schönberg, Strawinsky und Varèse nicht.

Dafür erklang „Experiment pur“ in der Sinfonie Nr. 55 in Es-Dur von Joseph Haydn, mit der der Gastdirigent Matthias Bamert den Bremer Philharmonikern eine ganze Palette von Nuancen entlockte. Weniger überzeugte die Sinfonie in Es-Dur von Robert Schumann, die strahlende „Rheinische“. Trotz schöner Stellen und einem insgesamt überzeugenden Gesamtdrive war das Ganze zu breit, zu aufgeblasen und zu unausgewogen in den Klangproportionen. usl