silke burmester
: Eine Trasse aus der Tristesse

Das Magazin „Weight Watchers“ will uns schlank machen. Dabei macht es vor allem Appetit

Die Zeit der guten Nachricht endet mit der besten aller Nachrichten: Aschermittwoch ist da. Mit dem Fröhlichkeitsterror ist Schluss. Funkemariesches Lunte erlischt, der maskierte Alkoholmissbrauch bei vollem Lohnausgleich ruht bis zum Oktoberfest.

Die Religion fordert nun Besinnung: sieben Wochen ohne. Erlösung bringt die Kreuzigung des Heilands mit anschließender Auferstehung. Und für alle Opfer zurückliegender Festivitäten gibt es eine mediale Trasse aus der Tristesse der Fettleibigkeit, das Magazin Weight Watchers.

Anders als Frauenzeitschriften mit ein paar Diät-Sonderseiten, ist Weight Watchers 100 Seiten randvoll mit Tipps und Infos um das Schlankwerden. „Mode“, „Gesundheit“, „Erfolg“, alles dreht sich um das Ideal des ranken Menschen. Zwischen den Rubriken die Siegeszüge der Gewichtswächter im Kampf mit dem Schwabbelbauch. Michael 10 Kilo, Marjolein 25,7 Kilo, Anne-Sophie 20 Kilo. Nur das rheinische TV-Moppelchen Vera Int-Veen darf so bleiben, wie es ist. Das Heft funktioniert: ganz viel Mensch, ganz viel Ich-Aussage, ganz viel Problemansprache. Alles ganz einfach. Wir sind unser Glückes Schmied und der Schlüssel liegt im Kiloschwund. Das Heft hat nur einen Haken. Alles dreht sich ums Essen. Alle reden drüber. Wie gut es ist, so leicht zu sein. Wie gut es ist, sich gesund zu ernähren.

Wir sehen Menschen, die leichtfüßig über Wiesen hüpfen, sich geborgen in den Armen liegen, die ihr Leben im Griff haben, weil ihr Gewicht unter Kontrolle. Zwischen dieser Darstellung des Glücks der Weg dahin: Fotografien und Rezepte leckerster Blechkuchen, Eintöpfe und das „Valentinsmenue“. Egal, wie gering die Kalorienzahl, die Krux des Magazins ist das Thema: Essen. Als Substantiv, als Verb. Es ist wie der Versuch, nicht an einen Eisbären zu denken. Selten war er bildlicher. Gut, dass so viele Jecken katholisch sind. Mit Gottes Hilfe werden sie die Waage in sieben Wochen wieder auf „vor der Völlerei“ bringen.

Schwächlinge bekommen Unterstützung aus Hamburg. Hier verkünden die Plakate der Partei der Bibeltreuen Christen, dass Angst vor Krankheit, Krieg und Drogen unbegründet sei, weil Jesus sagte: „Ich komme bald.“ Vor 1.970 Jahren.