Subversives Konglomerat

Die katalanische Antwort auf ,„The (International) Noise Conspiracy“: ,,Tokyo Sex Destruction“ mit politisch ambitioniertem Soul-Punk im Molotow

Sie sind jung, wild und davon überzeugt, dass es beim Referieren eines Manifests weniger um argumentative Präzision als um performative Durchschlagskraft und authentisches Gebaren geht. Der katalanischen Band Tokyo Sex Destruction scheint der Kapitalismus weder die Jungfräulichkeit noch den Glauben an die ekstatische und irgendwie befreiende Wirkung energiegeladener Auftritte gestohlen zu haben.

Ihr erstes Album Le Red Soul Comunnitte verkündete einige Gretchenfragen der Globalisierungskritiker in einer Mixtur aus Garagenpunk, Soul und Rock‘n‘Roll. Seitdem gelten die vier der spanischen Fachpresse als Enkelkinder von James Brown und MC5 und den hiesigen Kritikern als spanische Antwort auf The Make-Up und The (International) Noise Conspiracy.

Das Unbehagen am Fortschreiten der kapitalistischen Weltordnung trifft bei Tokyo Sex Destruction auf ein ungestümes Interesse an den ästhetischen Codes der Black Panthers. Sie treten mit Vorliebe in schwarzen Hemden mit weißen Krawatten (und vice versa) auf, tragen beneidenswerte Modfrisuren und schmücken sich mit dem Künstlernachnamen „Sinclair“. Letzteres beruht auf ihrer Verehrung für den ehemaligen MC5-Manager und Panther-Aktivisten John Sinclair, dessen Engagement für die radikale Black Power-Bewegung mit einer zehnjährigen Haftstrafe endete.

Auch musikalisch sehen sich TSD einem Konglomerat verpflichtet, dessen einzelne Momente ehemals als subversiv bezeichnet wurden; sie verstehen sich als charismatische Beschwörer provozierender Soulmusik: Soul Music Will Make Us Free. Politisches Bewusstsein fällt zusammen mit Ekstase – als Flucht aus einer verwalteten Welt, in der das Rauschhafte nur noch als Konsument erfahren werden kann. Was politisch eher naiv und sehr vom ästhetisch geformten Image geprägt erscheint, macht musikalisch allerdings einiges her – und ist schon deshalb einen Besuch wert.

MATTHIAS SEEBERG

mit Piebald: Montag, 21 Uhr, Molotow