Infineons Abschied auf Raten

Spitze eines Firmenteils zieht nach Österreich um. Weitere 900 Stellen auf der Streichliste

MÜNCHEN taz ■ Es ist schon schlimm. Schlimm, was man als Vorstandschef eines finanziell gebeutelten Konzerns bisweilen durchmachen muss. Das stellte Ulrich Schumacher vom Elektronikriesen Infineon gestern auf einer Pressekonferenz in München noch einmal klar: „Es ist nie schön, und es gehört zu den bittersten Erfahrungen eines Managers, Personalabbau durchführen zu müssen.“

Doch was bleibt ihm übrig, gilt doch andererseits: „Die Rückkehr in die Gewinnzone hat oberste Priorität.“ Also verkündete Schumacher, dass der Halbleiter-Produzent nach den Milliardenverlusten der beiden vergangenen Geschäftsjahre seinen Sparkurs verschärfen und nochmals 900 Arbeitsplätze streichen werde – zusätzlich zu jenen 5.000 Stellen, die Infineon bereits eingespart hat. Momentan arbeiten noch 31.000 Menschen dort. Mit diesem Schritt, so Schumacher, wolle das Unternehmen die Kosten nochmals um 500 Millionen Euro drücken. Allein im ersten Quartal 2003 summierten sich die Verluste des Münchner Konzerns auf 328 Millionen Euro – mehr als dreimal so viel wie im Startquartal des Vorjahres. Die Bezüge der Vorstandsmitglieder hingegen stiegen um mehr als 20 Prozent. Dort will man nicht sparen.

Dagegen betonte Vorstandschef Schumacher erneut, dass Infineon eine Verlagerung seines Firmensitzes ins Ausland prüfe „und insbesondere die Schweiz“ als möglicher Standort genauer untersucht werde. Allerdings versicherte er auch: „Es geht nicht darum, Entwicklung und Produktion aus Deutschland abzuziehen.“ Eine merkwürdige Einschätzung, ist das doch längst geschehen: Ein Großteil der Fertigung im Bereich der Automobil- und Industrie-Elektronik siedelte bereits ins österreichische Villach um, die Führungsspitze dieser Sparte soll bald folgen. Zudem kündigte Schumacher während der Pressekonferenz an, dass auch weitere Sparten ihren Sitz ins Ausland verlagern könnten. Die IG Metall will sich mit allen Mitteln gegen solche Umzugspläne zur Wehr setzen.

Der mögliche Umzug der Konzernleitung in die Schweiz würde den Ausschluss aus dem Deutschen Aktien-Index mit sich bringen. JÖRG SCHALLENBERG