Mit Grünen liebäugeln

Am Sonntag wählen die Hamburger. In einer Plattenbau-Siedlung an der Peripherie hoffen Migrantinnen auf ein Scheitern des Rechts-Senats

„Ich meine, das Kopftuch sollte in der Schule verboten werden“, sagt Makbule Eker

Von EVA WEIKERT

Makbule Eker hat Angst am Sonntag ihren Stimmzettel abzugeben. Im September 2001, als die Hamburger zuletzt zur Wahl ihrer Bürgerschaft aufgerufen waren, sei ihre Tochter Gonca im Wahllokal „angebrüllt und beleidigt worden“, berichtet die Türkin mit deutschen Pass. „Du hast hier nichts zu suchen, hau ab“, hätten andere Besucher der gebürtigen Hamburgerin an den Kopf geworfen. Die Ablösung von Rot-Grün gelang der CDU damals durch ein Bündnis mit dem Rechtspopulisten Ronald Schill. „Unter deren Regierung ist Hamburg feindlicher gegen Ausländer geworden“, beklagt die Muslimin, „das spüre ich jeden Tag.“

Die 67-Jährige sitzt beim Frühstück mit etwa 20 anderen Frauen. Jeden Mittwoch treffen sich hier im Kinder- und Familienzentrum im Stadtteil Schnelsen Frauen aus der Türkei, Afghanistan, Iran und Irak. Die meisten wohnen in den dreistöckigen Plattenbauten oder den Hochhäusern, in deren Mitte die Beratungsstelle liegt. Die auch „Spanische Furt“ genannte Siedlung liegt an der Peripherie. Dauerrauschen der nahen Autobahn ergänzt die triste Kulisse aus Mietskasernen. In der Nachbarschaft, so Sozialberaterin Ulla Kutter, wohnen kaum „Original-Deutsche“. Um deren Stimmen wirbt hier nur ein einsames Plakat der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, das Schills Ex-Getreuen, Innensenator Dirk Nockemann, mit dem Slogan „Gegen Sozialmissbrauch“ zeigt.

Wegen des Bündnisses mit dem Abschiebe-Rekorde feiernden Nockemann lehnt Makbule Eker die CDU strikt ab. „Und weil die Merkel gegen den EU-Beitritt der Türkei ist.“ Die Hausfrau, die seit 27 Jahren in Hamburg lebt, hat bisher dreimal auf die hiesige SPD gesetzt. Weil ihr die Politik der Bundespartei aber nicht mehr passt, schwankt sie jetzt und liebäugelt mit der Grün-Alternative-Liste (GAL). „Die SPD schafft keine neuen Arbeitsplätze“, sagt die Frau eines Arbeitslosenhilfe-Empfängers. „Auch durch die Gesundheitsreform haben wir immer weniger Geld im Portemonnaie.“ Von einem neuen Senat wünscht sie sich vor allem „bessere Chancen für meine Enkel in der Schule“.

Eine Enkelin besucht die 10. Klasse der nahen Hauptschule Rothmoorweg. „In Schnelsen kommen die meisten Migrantenkinder über die Hauptschule nicht hinaus“, warnt Jela Afridi. Die aus Afghanistan stammende Mutter von vier Kindern will am Sonntag die Grünen wählen, weil diese „Migranten bessere Ausbildungschancen versprechen“. Bitter beklagt sich Afridi über die Ankündigung des Rechts-Senats, mit Massenabschiebungen ihrer Landsleute zu beginnen, obgleich die Vereinten Nationen davor warnen. Sie hoffe auf einen Wechsel zu Rot-Grün, „weil die afghanischen Flüchtlinge dann länger bleiben dürfen“.

Afridi ist Muslimin, trägt kein Kopftuch und will auch nicht darüber reden. „Das Thema ist mir egal“, wehrt sie ab: „Auf das Tuch schauen alle nur wegen der Anschläge vom 11. September, dabei ist es Privatsache.“ Neben ihr sitzt Makbule Eker und teilt plötzlich eine CDU-Position: „Ich meine, das Kopftuch sollte in der Schule verboten werden.“

Das sehen viele der anwesenden Frauen indes anders. Asia Bahia aus Irak etwa nimmt nicht einmal jetzt, wo kein Mann im Raum sitzt, den Schleier ab. Weil die Grünen anders als CDU und SPD klar für die Tolerierung des Kopftuchs im öffentlichen Dienst plädieren und, so Bahia, „die beste Ausländerpolitik anbieten“, sei für sie und ihre zwei Töchter die Entscheidung klar: Der jetzige Senat müsse abgewählt werden. „Ausländer“, beklagt die Eingebürgerte, „werden in Hamburg bisher oft nicht wie Menschen angesehen.“