Tölles tolles Timing

Am Tag vor der Bremer Bürgerschaftswahl bläst der DGB zum großen Aktionstag gegen Schröders Sozialreformen. Die Bremer Genossen sind darüber wenig erfreut

taz ■ Detlev Albers ist derzeit nicht besonders gut auf den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) zu sprechen. Der Bremer SPD-Vorsitzende hat jedenfalls „mit geringem Vergnügen“ zur Kenntnis genommen, dass die Gewerkschaft just am Tag vor der Bürgerschaftswahl, am 24. Mai also, zum Massenprotest gegen die von Bundeskanzler Gerhard Schröder verkündete „Agenda 2010“ bläst. Es sei zwar „das gute Recht der Gewerkschaften“, Einfluss auf politische Entwicklungen zu nehmen – den gewählten Termin aber hält Albers für „wenig glücklich“. „Der DGB sollte aufpassen, seine wirklichen Freunde nicht zu beschädigen“, sagt Albers. Er habe im SPD-Bundesvorstand zwar Schröders „Grundlinie“ zugestimmt, aber „entschlossen und hartnäckig auf Nachbesserung gedrängt“.

„Wir mobilisieren ganz auf den 24. Mai“, sagt Hartmut Tölle, der DGB-Bezirksvorsitzende für Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Auf dem Hannoveraner Opernplatz soll an diesem Tag eine Großkundgebung stattfinden, auch ein Protestzug durch die Landeshauptstadt ist geplant. Der Termin liegt genau eine Woche vor dem SPD-Sonderparteitag, der über die Agenda 2010 abstimmen soll. „Der Unmut in unseren Reihen ist natürlich gigantisch, da ist eine ungeheure Bitternis da“, sagt der Bezirkschef. Häufig bekomme er von Gewerkschaftsmitgliedern zu hören: „Wenn diese ganzen Sauereien unter Kohl gelaufen wären, dann wärt ihr schon lange in Berlin gewesen.“ Dass der DGB-Aktionstag negative Folgen für das Wahlergebnis der Bremer SPD am Tag darauf haben könnte, befürchtet Tölle indes nicht. Die Partei setze dort ja nicht umsonst „voll auf Henning Scherf“, also einen lokalen Wahlkampf.

Auf den bewusst in engen Grenzen gehaltenen Wahlkampf verweist auch der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Bremen-Stadt, Wolfgang Grotheer. Die Bremer SPD mache die Berliner Politik von Rot-Grün derzeit ja „ganz bewusst nicht zum Gegenstand öffentlicher Aktionen“. Bei der Bürgerschaftswahl gehe es eben „um eine regionale Entscheidung, nicht um ein Ja oder Nein zu Gerhard Schröder“, sagt Grotheer. Was allerdings die Agenda 2010 des Kanzlers betreffe, gebe es „innerhalb der Bremer SPD den entschiedenen Wunsch, dass da was geändert wird“. jox