h.g. hollein Ausgekocht

Die Frau, mit der ich lebe, hat die fixe Idee, sie könne keine Eier kochen. Nun ja, es gibt Schlimmeres. Trotzdem halte ich es für ein zumindest reflexionswürdiges Kompliment, wenn einen die Gefährtin nach dem Köpfen eines sechseinviertel-Minuten-Legeprodukts enthusiasmiert wissen lässt: „Eier kannst du wie sonst keiner, Schatz!“ Angesichts der hartgesottenen Gummi-Variationen, die von der Gefährtin in Verlegenheitsfällen bisweilen selbst kreiert werden, künden derartige Lobpreisungen nicht eben von übertrieben kompetentem Urteilsvermögen. Darüber hinaus halte ich es ehrlich gesagt doch für recht demütigend, dass die Gefährtin mittlerweile bei weitergehenden Zubereitungsarten hartschaliger Ovale jegliches Zutun meinerseits erbittert zu unterbinden pflegt. Rühreier geraten mir für den sensiblen Gaumen innen „nicht fluffig genug“, bei Omelettes produziere ich angeblich nur „pappige Fladen“. Zu wirklichen Kränkungen verstieg sich die Gefährtin aber erst bei dem männlichsten aller kulinarischen Erzeugnisse – dem Spiegelei. Nachdem ich mir einmal die Frage anhören musste, ob ich das auch wirklich alleine könne, sind mir in meinem – wie ich finde – gerechten Zorn prompt alle vier Eigelbe beim Aufschlagen zerlaufen, woraufhin die Gefährtin zu befinden müssen glaubte, ich könne eben mit Kritik nicht umgehen. So wurde mir auch dieses Tätigkeitsfeld entzogen. Drum starre ich denn auch alle paar Tage wieder voller Versagensangst in den blubbernden Topf. Sollte mich das mediale Wissen um den idealen Garzeitpunkt einmal verlassen, werde ich zweifellos umgehend durch einen elektrischen Eierkocher ersetzt. Dann kann ich nur hoffen, dass die Gefährtin mich wenigstens noch für den Posten des Salzstreuerwarts in Betracht zieht.