die stimme der korrektur: missionen kommunizieren
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In den Nachrichten finden wir neuerdings „Saddam City“, nicht Saddam-Stadt (wie Mexiko-Stadt oder Gropius-Stadt). „Saddam City“ ist das Armenviertel Bagdads, Medina al-Saddam. Alle alten islamischen Stadtteile im Gegensatz zu den Europäervierteln bilden übrigens historisch die Medina, sagt der Duden. Amerikanische Truppen missionierten also kürzlich Medina al-Saddam, das heißt, sie rollten mit Panzern durch ihre Straßen. (Mission bedeutet neusprachlich „die Verbreitung der westlichen militärischen Lehre vorzugsweise unter arabischen Heiden“.)

Kurz darauf fanden sich, nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Associated Press (AP), Parolen auf den Hauswänden. Mit ihnen wurde gefordert, das Viertel nach einem führenden schiitischen Geistlichen, der vom Regime ermordet wurde, in „Al-Sader City“ umzubenennen. Ich vermutete also, dass die Armen Bagdads „Long live Al-Sader City“ auf die Wände sprühten – vielleicht als vorauseilende Unterwerfung unter die neuen englischsprachigen Kolonisatoren. Eher jedoch war die Benennung nach einem schiitischen Führer ein Zeichen des Widerstands, auf Englisch geschrieben, damit die Amerikaner ihn verstehen. So wie die Befreiten auf Transparenten „Get out from our country“ schreiben.

Als engagierte Korrektorin auf der Suche nach der Wahrheit telefonierte ich schließlich mit AP in Frankfurt und erfuhr: Ihr arabischer Korrespondent habe seine Berichte über Saddam City und Al-Sader City auf Englisch verfasst. Was selbstverständlich Sinn macht, und wir somit getrost als Saddam-Stadt und Al-Sader-Stadt hätten übersetzen können, ganz neutral.

Gerüchteweise ging später um, das Stadtviertel solle künftig Medina al-Salam oder „Peace City“ heißen. Dabei nun hätte es sich wohl um die gelungene Kommunikation zwischen Missionaren und Missionierten gehandelt. Kommunizieren findet ja nicht mehr gemeinschaftlich statt, sondern bedeutet, dass die Mächtigen ihre Vorstellungen – auch von Frieden – von oben nach unten diktieren. Und Medina al-Salam einfach in Friedensstadt zu verwandeln, wäre wohl nicht erlaubt gewesen.

Nun ist alles anders gekommen. Das Stadtviertel ist in Medina al-Thaura umbenannt, es gilt als Sperrgebiet für selbst ernannte britische oder amerikanische Befreier, wie es früher Saddams Bütteln verwehrt war. Ich kann mir vorstellen, dass, damit die Kommunikation diesmal von unten nach oben funktioniert, überall auf Wände gesprüht steht: „off limits“ und „Revolution City“. Irgendwie würde es mir schwer fallen, dann einfach Revolutionsstadt zu schreiben. ROSEMARIE NÜNNING