Unfälle auch privat gut versichern

Führt ein Unfall zu Invalidität, entsteht für den Betroffenen häufig ein hoher zusätzlicher finanzieller Bedarf. Womöglich muss die Wohnung umgebaut und eine Haushaltshilfe eingestellt werden. Eine private Unfallversicherung kann hier weiterhelfen

VON ANDREAS LOHSE

Fällt ein Fensterputzer von der Leiter oder fährt ein Angestellter auf dem Weg zur Arbeit gegen eine Laterne, sind das Arbeitsunfälle. Arbeitnehmer sind gegen deren finanzielle Folgen in einer Unfallversicherung gesetzlich abgesichert. Die Kosten dafür trägt der Arbeitgeber als Mitglied einer Berufsgenossenschaft. Allerdings fiel die Zahl der Unglücke mit darauf folgender Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen in den vergangenen Jahren auf unter eine Million, weiß man beim Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaft.

Dass diese Zahl sinkt, hat sicherlich mit besserer Vorsorge und mehr Risikobewusstsein in den Betrieben zu tun – aber wohl auch damit, dass es mitunter schwer ist, einen Arbeitsunfall als solchen anerkannt zu bekommen. Wer etwa auf dem Weg zur Arbeit auch nur einen kleinen Umweg macht und sich dabei verletzt, verliert den gesetzlichen Schutz: Schon 100 Meter sind zu viel der Abweichung, meint das Bundessozialgericht. Ein Mann wollte auf dem Weg von der Arbeit nach Hause noch rasch etwas Geld von der Bank holen und stürzte schwer. Dies sei kein Arbeitsunfall, so die Richter, weil er den direkten Weg zwischen Arbeit und Wohnung aus privaten Gründen verlassen hatte (Az. B2U40/02R).

Dabei müsse der Weg „zu oder von der versicherten Tätigkeit“ – etwa Arbeits-, Ausbildungs- oder Schulungsstätte – nicht „unbedingt der kürzeste sein“, heißt es bei den Berufsgenossenschaften. Es müsse sich aber „um den unmittelbaren, direkten Weg“ handeln. Die Beurteilung hänge dabei immer von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. So bleibe der Versicherungsschutz beispielsweise dann bestehen, solange der Umweg zweckmäßig sei, etwa wenn der an sich kürzere Weg durch Baustellen oder Staus beeinträchtigt sei.

Auch die vom unmittelbaren Weg zu und von der Tätigkeit abweichenden Route, um Kinder aus der Betreuung abzuholen oder sie dorthin zu bringen, seien vom Versicherungsschutz erfasst, heißt es in einem Aufsatz der Zeitschrift Sicherheitsreport. Allerdings sei der Weg nur als „Kombination aus Arbeitsweg und Wegbringen oder Holen des Kindes“ versichert.

Doch unterliegt schon die Körperpflege selbst auf einer Dienstreise nicht mehr dem gesetzlichen Schutz. Wer nach Feierabend stürze und sich verletze, habe keinen Anspruch auf Entschädigung, meinte in einem Fall das Bundessozialgericht. So sollte ein Monteur fernab des Wohnorts auf einer Baustelle eine Maschine einrichten. Nach der Arbeit stieg er im Hotel unter die Dusche, rutschte aus und verletzte sich – kein Arbeitsunfall. Die körperliche Reinigung sei dem unversicherten persönlichen Bereich zuzuordnen, so die Richter (Az. B 2 U21/01/R).

Die Zahl der privaten Unfälle liegt bei einem Vielfachen der Arbeitsunfälle, Schätzungen gehen von neun Millionen aus. Jeder dritte Unfall mit anschließendem Arztbesuch ereigne sich zu Hause, jeder fünfte in unmittelbarer Umgebung der Wohnung, heißt es in einer Statistik der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Besonders riskant in der Freizeit: Sport. Über 27 Prozent aller Unglücke passieren beim Trainieren, allen voran auf dem Fußballplatz (470.000 Unfälle), gefolgt von Hand-, Volley- und Basketball (179.000), Skaten (111.000), Reiten (93.000) und Skisport (90.000). Weitere zwölf Prozent der Unfälle ereignen sich mit Treppen und Leitern, sechs Prozent beim Heimwerken, ebenso viele bei allgemeiner Hausarbeit, vier Prozent in Hof und Garten.

Führt ein Unfall zu Invalidität, entsteht häufig ein hoher zusätzlicher Finanzbedarf. Deshalb kann eine private Unfallversicherung von großer Bedeutung sein. Und sie ist in Relation zur Leistung gar nicht mal so teuer, fand die Stiftung Warentest heraus. Mit etwa 100 Euro im Jahr ist man dabei. Allerdings sollte man sich die Verträge genau anschauen. Denn bei den untersuchten 200 Angeboten fanden die Verbraucherschützer derartige Qualitätsunterschiede, dass die Bewertung die komplette Bandbreite von „sehr gut“ bis „mangelhaft“ umfasst. Am besten haben die Angebote der Versicherungsgesellschaft Ostangler sowie ein Angebot der Baden Badener Versicherung abgeschnitten. Angestellte des öffentlichen Dienstes fahren „sehr gut“ mit der Baden Badener und Debeka.

Geldzahlungen leistet die Versicherung in Abhängigkeit von der Schwere eines bleibenden körperlichen Schadens. Dabei bemisst sich der Grad der Invalidität an einer „Gliedertaxe“: Ist etwa ein Arm ab der Schulter verloren oder funktionsunfähig, gilt ein Invaliditätsgrad von 70 Prozent, bei einem Zeigefinger sind es zehn Prozent. Zwar überschneiden sich in einigen Punkten Unfallversicherung und Berufsunfähigkeitsversicherung. Gleichwohl könne die Unfallversicherung die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht ersetzen: „In 90 Prozent aller Fälle geht die Minderung der Erwerbsunfähigkeit auf eine Krankheit zurück, nicht auf einen Unfall.“ Da aber gerade Erwerbstätige mit geringem Einkommen nur selten eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen, erhalten viele von einem Unfall Betroffene nicht immer die nötige Unterstützung. Auch nehmen Assekuranzen ältere oder schon erkrankte Interessenten nicht oder nur mit unbezahlbaren Tarifen auf. Die Unfallversicherung bietet hier einen Minimalschutz. Ebenso wenig ersetzt die Berufsunfähigkeitsversicherung die Unfallversicherung. Verliere etwa ein Angestellter bei einem Unfall ein Bein, so Finanztest, sei der deshalb noch längst nicht berufsunfähig. Gleichwohl entstehen womöglich hohe Kosten – etwa zur Umrüstung von Auto und Haushalt. Hier hilft die Unfallversicherung.

„Finanztest“ 9-2003, Stiftung Warentest, Postfach 81 06 60, 70523 Stuttgart 3,60 Euro zzgl. 2 Euro Versand