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: Aufbauhilfe für Oliver Kahn

Schluss mit der unqualifizierten Kritik am weltbesten Torhüter! Was Not tut, ist ein Sofortprogramm zur Rehabilitation

Die Dementis aus München und der Frankfurter Zentrale der Deutschen Fußball-Liga folgten auf dem Fuße. Mitnichten sei es zutreffend, dass der FC Bayern München den offiziellen Antrag gestellt habe, den Wolfsburger Spieler Andres d’Alessandro für das heutige Gastspiel im Münchner Olympiastadion „aus nationalem Interesse“ zu sperren. „So was tun wir nicht“, sagte Manager Uli Hoeneß, fügte aber giftig hinzu: „Möchte wissen, wer da schon wieder gequatscht hat.“ Zuvor war durchgesickert, dass führende Mitarbeiter der Psychiatrischen Abteilung des Max-Planck-Instituts dringlich davor gewarnt hatten, Torhüter Oliver Kahn so kurze Zeit nach seinem Fehlgriff im Champions-League-Match gegen Real Madrid mit einem Spieler zu konfrontieren, der nicht nur aussieht wie der Brasilianer Roberto Carlos, sondern auch noch dafür bekannt ist, ähnlich gemein aufs Tor zu schießen. Ein dauerhaftes Trauma bezüglich kleinwüchsiger kahlköpfiger Spieler könnte die Folge sein, die Konsequenzen für den deutschen Fußball wären unabsehbar, vor allem was die WM 2006 betrifft.

Dass Kahn dort im Rudi-Tor stehen wird, darf als sicher gelten, schließlich hat das DFB-Team eine beachtliche Tradition im viel zu langen Festhalten an verdienten, aber in die Jahre gekommenen Torhütern: Sepp Maier 1978 in Argentinien, Toni Schumacher 1986 in Mexiko („Habe gehalten wie ein Arsch“), Andreas Köpke 1998 in Frankreich und auch Bodo Illgner 1994 in den USA. Der war zwar erst 27, hielt aber wie 43. Man sollte sich also früh damit abfinden, dass Kahn 2006 gesetzt ist, und entsprechende Vorkehrungen treffen. Erste Maxime: Schluss mit unseligen Diskussionen um irgendwelche durchgerutschten Bälle in unwichtigen Achtelfinalspielen. Umfangreiche Aufbau- und Schutzmaßnahmen sind stattdessen geboten. Neben wöchentlichen Zusammenschnitten der hübschesten Lehmann-Patzer aus dem englischen Fernsehen in der „Tagesschau“ ist da vor allem die Person Oliver Kahn selbst gefordert. Der hat dankenswerterweise bereits auf eigene Faust mit der Rehabilitation begonnen, indem er sich nach Trainingsschluss von „Reservisten“ noch stundenlang Bälle auf den Kasten ballern ließ – darunter, wie verlautet, auch einige E-Jugend-Spieler zur Simulation von Roberto-Carlos-Freistößen.

Doch reicht das? Natürlich nicht! Reservisten! Was soll das? Sind sich die Herren Ballack, Makaay oder Lizarazu etwa zu schade, ihren Keeper so zu präparieren, wie es einem Titanen zukommt. Könnte nicht wenigstens der Präsident mal vorbeischauen und mit ein paar Schlenzern im Vorübergehen ein bisschen den Beckham geben? Wäre schließlich möglich, dass der Engländer im Rückspiel auf die Idee kommt, auch mal einen kleinen Freistoß zu platzieren, vor allem, da ja Roberto Carlos wegen seiner Münchner Lachnummer jeder Kontakt mit ruhenden Bällen bei Real untersagt wurde.

Kahn selbst hat den wunden Punkt der ganzen Sache erkannt. „Da muss man halt noch härter arbeiten, noch härter trainieren. Nur, dann komme ich ja überhaupt nicht mehr heim“, sinnierte er. Auch der beste Torwart der Welt hat schließlich das Recht auf ein Zuhause. Deshalb muss das Training ins Privatleben integriert werden. Ganz gewiss wäre Freundin Verena nicht abgeneigt, gegen ein geringes Bayern-Salär ein Homecoaching mit ihrem Gspusi zu absolvieren. Sie könnte ihm zum Beispiel beim gemeinsamen Viva-Gucken überraschend Gegenstände zuwerfen, nach denen er dann hechten muss und die er möglichst nicht fallen lassen sollte: Champagnergläser, Mingvasen, Goldhamster, Haargelkanister.

Auch beim Discobesuch muss Crazy Olli nicht auf die Steigerung seiner torhüterischen Fitness verzichten. Gewiss lässt sich irgendwo ein abgehalfterter, dem Alkohol verfallener Ex-Bayern-Profi auftreiben, der gern bereit ist, in regelmäßigen Abständen Fußbälle ins strafraumhafte Gewühl auf der Tanzfläche zu flanken. Die anderen Gäste werden sicher volles Verständnis für die Notwendigkeit dieser Maßnahmen zeigen, und wenn nicht, kommt einfach Sammy Kuffour mit und sorgt dafür.

Noch effektiver wäre allerdings das Modell Maradona. Der spielte bei der WM 1994, obwohl vereinslos, für Argentinien. Warum also nicht Oliver Kahn exklusiv im Nationalteam, bezahlt vom DFB, Stammplatzgarantie inbegriffen. Im Vereinsfußball gibt es ohnehin nichts, was er noch zu gewinnen hätte, und die Fokussierung auf das Wesentliche könnte den alten Kahn’schen Tunnelblick wieder zum Vorschein bringen, der die Bälle magisch anzieht. Am Wochenende würde er dann entspannt in München auf der Tribüne sitzen und sich darüber amüsieren, wie sich sein Nachfolger bei den Bayern, Jens Lehmann, mit den kahlköpfigen Giftzwergen dieser Fußballwelt herumärgert.

MATTI LIESKE