Demonstration gegen russisches Atomlager

Einwohner im Uralbezirk Jekaterinburg befürchten Verstrahlung durch radioaktiven Monazitstaub

BERLIN taz ■ Wie Blut ein besonderer Saft, so ist Monazit ein besonderer Staub. Und wie bei der Vorstellung von Blut denken die Einwohner des russischen Uralstädtchens Krasnoufimsk bei dem Wort „Monazit“ an ihr Leben und an ihren Tod. Denn in Krasnoufimsk liegen seit gut 50 Jahren 82.000 Tonnen des hochradioaktiven Phosphates, das unter anderem Uran und Thorium enthält.

Inzwischen zernagte der Zahn der Zeit die Lagerstätte, nicht aber das Monazit. Augenzeugenberichten zufolge sind in den meisten der hölzernen Lagerschuppen die Böden entweder unter ihrer Last oder nach tektonischen Verschiebungen eingebrochen. Die Container sind umgestürzt und von unten her angerostet. Zwischen ihnen bildeten sich kleine Monazit-Dünen. Die Pfeiler und Wände haben sich verbogen und es regnet herein.

Der Tag kann nicht weit sein, an dem das Ganze völlig einstürzt und möglicherweise die gesamte Region verstrahlt wird.

Das Monazit wurde in den 40er-Jahren hertransportiert, weil man daraus Material für Atombomben gewinnen wollte. Doch dann nahmen die Wissenschaftler dafür doch lieber hochangereichertes Uran. Das Monazit geriet in Vergessenheit und mit ihm Krasnoufimsk. Beim Zerfall der Sowjetunion kam das Lager unter die Oberhoheit der Bezirksregierung in Jekaterinburg. Deshalb fühlt sich auch die russische Regierung heute für das Problem nicht mehr zuständig.

Die Jekaterinburger Beamten wollen nun an der Stelle eine Fabrik errichten, die aus dem rötlichbraunen Sand dessen wertvolle Bestandteile extrahiert, seltene Erden, Mesotorium und Helium. Mit von der Partie als Investorin ist die US-Firma Shannel Construction World Wide Ltd. Das neue Werk soll 50 bis 80 Millionen Dollar kosten.

90 Prozent der Einwohner von Krasnoufimsk fürchten, dies werde zu einer noch größeren Verstrahlung ihres Städtchens führen. Sie fordern, die Vorbereitungen für den Fabrikbau einzustellen und das Lager an einen sicheren Ort zu verlegen. Unlängst demonstrierten sie vor dem Krasnoufimsker Stadtsowjet.

Einige Teilnehmer der Kundgebung meinten, die Behörden würden sie behandeln wie Kolonisatoren so genannte Wilde. Olga Podosenowa von der Jekaterinburger Initiativgruppe Ekodefense sagte: „Sie versuchen, unseren Protest als Folge des emotionalen Überschwangs ungebildeter Einwohner zu banalisieren.“ BARBARA KERNECK