Nichts für umsonst und draußen

Bochum Total, größtes Gratis-Musikfestival im Ruhrgebiet, wird von aberwitzigen Forderungen der GEMA bedroht. Vorm Landgericht obsiegten die Veranstalter. Urheber prüfen jedoch Berufung

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Noch mehr als Regen fürchten Veranstalter von Open-Air-Festivals die GEMA. Jetzt aber, da das Bochumer Landgericht eine Klage der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte gegen den Bochumer Veranstalter Marcus Gloria abgewiesen hat, kann die Musikgemeinde wieder hoffen.

Auslöser des Streits waren rund 110.000 Euro. So viel sollte Gloria der Münchner Gesellschaft für die 18. Ausgabe seines Musikfestivals „Bochum Total“ überweisen: 55.000 als Gebühr für Live-Musik und noch mal so viel als „Kontrollzuschlag“, da Gloria nach Auffassung der GEMA seiner Anmeldepflicht nicht nachgekommen war. Der Essener Anwalt des Veranstalters, sein Bruder Christian Gloria, sieht das anders: „Mein Bruder stand immer in Kontakt mit der GEMA“, sagt er auf Anfrage. Und zahlungswillig sei er auch. Die geforderte Summe aber – zirka das 37-fache dessen, was sonst zu entrichten war – sei „unsinnig“. Deshalb habe sein Bruder nicht gezahlt.

Die GEMA klagte auf Zahlung des Geldes und auf „Unterlassung der Aufführung GEMA-pflichtiger Stücke“. „Auf diese Weise soll verhindert werden“, so GEMA-Sprecher Hans-Herwig Geyer zur taz, „dass auch künftig Musik ohne Anmeldung aufgeführt wird.“ Die GEMA werde es nicht zulassen, dass weiterhin Urheberrechte verletzt werden. In Berufung zu gehen, schließe er nicht aus. Der Veranstalter, so Geyer weiter, sei uneinsichtig und habe nicht mitgeteilt, welche Stücke aufgeführt wurden.

Deswegen recherchierte der Kontrollapparat der GEMA und errechnete die Kosten anhand der Besucherzahl: Aus der Presse entnahmen die Musikhüter Schätzungen, nach denen 2003 zirka 700.000 Besucher in der Bochumer Innenstadt gewesen sein sollen. Da die Vergütungstabelle der GEMA aber nur für Hallen gilt, gingen sie von 1,5 Besucher pro Quadratmeter aus. So kamen sie auf 466.666 Quadratmeter geschätzte Fläche, was in etwa der gesamten Innenstadt inklusive aller Häuser entspricht. Rechtsanwalt Gloria vermutet hinter der Kampagne böse Absichten: „Die wollten meinen Bruder regelrecht erpressen.“ Sich nicht mehr aus dem Repertoire der GEMA bedienen zu dürfen, wäre schließlich das sichere Aus für jedes Musikfest.

Auch Henning Röller von der Agentur „EventProfile“, dem Ausrichter des Kölner „Ringfests“, findet die Methoden der GEMA „undurchsichtig“. Röller hat einen Anwalt konsultiert, der ermitteln soll, welchen Tarif die Gesellschaft bei ihren Abrechnungen zugrunde legt. In der Vergangenheit, erzählt Röller, habe es schon öfter Konflikte gegeben. Einmal sei ein Festivalbetreiber beinahe in die Insolvenz getrieben worden.

Für die Richter blieb der plötzliche Kostensprung jedenfalls genau so im Dunkeln wie für die Veranstalter. Im Urteil heißt es, die geforderte Vergütung sei „nicht schlüssig nachvollziehbar und intransparent“. Außerdem sei nicht ersichtlich, auf welchen Tarifgrundlagen die Rechnung basiere. Auch habe es die GEMA in den vergangen Jahren hingenommen, dass Gloria die eigentlich vor der Veranstaltung fällige Vergütung immer erst im Nachhinein bezahle.

Der GEMA sind 60.000 Komponisten, Textdichter und Musikverleger angeschlossen. Auf ihrer Homepage versichert die Gesellschaft, keine Gewinne zu erwirtschaften und alle Einnahmen nach Abzug der Verwaltungskosten an die Urheber der Musik auszuschütten. Dieses Verfahren laufe nach einem strengen Solidaritätsprinzip ab – egal, wie rentabel die jeweilige Veranstaltung sei. Somit gehen laut GEMA 3,60 Euro pro live gespielten Song an die Komponisten. Bei 64 Bands, die 2003 bei „BO-total“ aufgetreten sind, und je 15 gespielten Liedern, sind das: 3.456 Euro.