nebensachen aus rom
: Das Los einer peruanischen „Perle“ im linken Mittelstand

In Deutschland mag sie als Relikt aus dem 19. Jahrhundert gelten: die fest angestellte Haushälterin, die von morgens früh bis abends spät den „Herrschaften“ dient, ehe sie erschöpft auf ihr Bett fällt, in dem klitzekleinen Kämmerchen, das ihr gnädigerweise zur Verfügung steht. In Italien dagegen gehört die „Perle“ nicht nur im Großbürgertum, sondern auch in Mittelschichtfamilien oft genug ganz selbstverständlich dazu. Frauen aus der Dritten Welt und aus Osteuropa sind relativ billig für Rund-um-die-Uhr-Dienste zu haben: Kost und Logis für 600 bis 700 Euro im Monat. Dafür hat die Magd dann 12-Stunden-Arbeitstage ebenso zu ertragen wie arrogante, schlecht gelaunte Arbeitgeber.

Da mag man die Peruanerin für glücklich halten, die bei dem jungen linken Ehepaar untergekommen ist: er Rechtsanwalt, sie Redakteurin, bei einer Immigrantensendung, dazu ein neunjähriger Sohn, eine zehnmonatige Tochter. Glücklich? Freunde sind zum Abendessen eingeladen, der Gastgeber verlangt nach Wein und duzt dabei die Haushälterin, sie gibt brav zurück: „Si signore!“ Just in dem Moment bimmelt sein Handy, als Klingelton hat er die alte Sowjethymne programmiert, schließlich ist er Comunista. Nein, er findet nichts dabei, sich als Signore anreden zu lassen, ein wenig Distanz sei doch ganz im Sinne des Personals, doziert er. Richtig komisch findet der junge Herr die Nachfrage, wieso er sie dann nicht siezt. Die Perle siezen? Wo gibt's das denn?

Zwischendrein fragt der Sohnemann, wie er denn sein Kickerteam beim nächsten Bolzturnier nennen soll. „Bandiera rossa“ rät der engagierte Papa. Die rote Fahne weht aber nicht für alle. Die Peruanerin ist tagtäglich von morgens um acht bis abends um zehn im Einsatz, mit Kochen, waschen, bügeln, servieren, spülen, babysitten. In einem ungestörten Moment berichtet sie knapp vom letzten Sommerurlaub. Während die Herrschaften am Strand waren, brachte sie das Ferienapartment auf Vordermann, das krähende Baby auf dem Arm und bei 40 Grad im Schatten durfte sie die Badehosen des Signore plätten; schließlich konnte der nicht mit zerknitterten Hosen ins Wasser steigen.

Derweil erklärt der Anwalt bei Tisch seinem Sohn, die Gewerkschaft tue gut daran, Berlusconi einzuheizen, „der die Arbeitnehmerrechte attackiert“. Ein Gast wirft maliziös ein, irgendwann vor fast 150 Jahren sei die Arbeiterbewegung mit dem Kampf um den Achtstundentag angetreten.

Das findet die Hausherrin gar nicht witzig; ob man ihr wohl unterstellen wolle, sie sei eine Ausbeuterin, brüllt sie zornig. Dann wird sie weinerlich: Schließlich sei sie auf die Dienste der Peruanerin angewiesen, sonst könne sie nicht arbeiten, sich nicht journalistisch um Immigrantenschicksale kümmern.

Schizophren? Vielleicht auch nicht. Als sich der Streit gelegt hat, berichtet die Signora von den Themen, die ihr Immigrantenprogramm in den letzten Monaten so abgehandelt hat. Zum Beispiel: „Meine Perle fährt über Weihnachten einfach in Urlaub. Was soll ich bloß machen, ganz ohne Haushaltshilfe an den Festtagen?“ MICHAEL BRAUN