: „Keine Tonne CO2 zusätzlich“
Die IBA soll Hamburg als Vorreiter beim Klimaschutz präsentieren. Dass zeitgleich ein Kohlekraftwerk gebaut wird, macht sich mäßig gut. Ein Gespräch mit Stefan Schurig vom World Future Council
STEFAN SCHURIG, 37, ist Direktor für Klima und Energie beim Welt-Zukunftsrat (WFC). Zuvor betreute er diese Themen bei Greenpeace.
INTERVIEW GERNOT KNÖDLER
Herr Schurig, in Vorbereitung auf die Internationale Bauausstellung (IBA) 2013 in Wilhelmsburg wird heute über den Klimaschutz diskutiert. Dabei sind die bisherigen IBA-Pläne wenig überraschend. Die ehemalige Deponie Georgswerder etwa soll mit bekannter Technik – Windrädern, Sonnenzellen und Biogas – zum „Energieberg“ mutieren.
Stefan Schurig: Es geht bei dem Energieberg in erster Linie darum, das Potenzial, das vorhanden ist, noch besser zu nutzen. Da stehen ja bereits Windräder und es wird schon Biogas erzeugt. Es werden aber auch andere Projekte diskutiert, die einen wegweisenden Charakter haben.
Hätten Sie da ein Beispiel für uns?
Dass man überlegt, den großen Flak-Bunker als Speicher von Solarwärme zu nutzen und die dann auf das Umfeld zu verteilen. Wenn man das genau durchplant, ist das sehr vielversprechend. Das kann Vorbildcharakter für viele andere Städte haben, in denen ja auch solche Bunker stehen. Entscheidend ist, dass die IBA klimaneutral sein will. Durch die IBA soll keine einzige Tonne CO2 zusätzlich in die Atmosphäre entlassen werden. Man will die beiden Pfeiler erneuerbare Energien und Energieeffizienz nutzen, damit die IBA dem Anspruch gerecht wird, für das so wichtige Thema „Städte und Klimawandel“ konkrete Ansätze zu liefern.
Sehr viele Neubauten wird es nicht geben. Ein großer Teil der Pläne wird sich mit dem Bestand auseinander setzen müssen.
Das ist ja auch richtig so. In den Städten spielt vor allem das Thema Sanierung eine Rolle. Und Effizienz in Wohnbauten ist der größte Bereich, in dem man Energie sparen kann – auch international. Es ist völlig richtig, dass man sich im Bestand ansieht, wie man Effizienzpotenziale und Potenziale von erneuerbaren Energien – also Wärme und Strom – möglichst regional erzeugen kann und damit ein Modell über Deutschland hinaus liefert. Da setzt die IBA zur richtigen Zeit auf das richtige Thema.
Aber hierbei wird nicht auf neue Technik gesetzt. Solarheizung, Sonnenstrom und Passivhäuser – das alles gibt es schon längst in Hamburg.
Es ist ja nicht das Ziel, neue Technologien einzusetzen, sondern diejenigen zu nutzen die am effizientesten sind. Dabei gibt es strukturelle Probleme – etwa, dass Sie, wenn Sie selbst Wärme produzieren, sich nicht einfach vom Fernwärmenetz abkoppeln können. Das ist bürokratisch sehr aufwändig. Wir haben die Lösungen, aber oft ist das Problem: Wie wendet man sie am besten an? Fehlt Wissen, fehlen administrative Anreize, dieses Wissen auch tatsächlich anzuwenden?
Man muss auch jemanden finden, der bereit ist, privates Kapital in solche Projekte zu investieren.
Ziel ist es nicht, die technische Machbarkeit nachzuweisen, sondern wirtschaftliche Modelle anzuwenden, die übertragbar sind, so dass auch andere Städte etwas davon haben. Dabei sind wir noch am Anfang. Zum Beispiel ist die Frage offen, ob sich Wilhelmsburg allein mit Wärme versorgen kann. Wir diskutieren noch, wie wir das machen.
Dieses Projekt kommt dem geplanten Kohlekraftwerk in Moorburg in die Quere, das ja aus Effizienzgründen viel Fernwärme auskoppeln soll und dafür Abnehmer braucht.
Ich muss leider einsehen, dass die Rechtssprechung in Deutschland wenig Möglichkeiten lässt, ein Kraftwerk aus Klimaschutzgründen nicht zu bauen. Das haben Sie an dem Versuch gesehen, die Ablehnung des Kraftwerks mit dem Wasserrecht zu begründen – wobei eigentlich jeder weiß: Es geht auch um Klimaschutz. Wir müssen auf Bundesebene ein Kohleausstiegsgesetz beschließen. Dieses Problem kann die IBA nicht lösen.
Und trotzdem gerät die IBA gerade in einen Widerspruch mit dem Konzept des Kraftwerks.
Kann eine Stadt wachsen und zugleich das Klima schützen? Dieser Frage widmen sich die Internationale Bauausstellung „IBA Hamburg 2013“ und der Welt-Zukunftsrat (WFC) am heutigen Dienstag bei einem gemeinsamen Jahresabschlusskongress. Im Bürgerhaus Wilhelmsburg stellt IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg seine Arbeit des vergangenen Jahres vor. Anschließend diskutieren 300 ExpertInnen und BürgerInnen, wie eine Metropole mit ihren Ressourcen haushalten kann. Ein zentrales Thema ist der Klimaschutz, wie er in Wilhelmsburg vorbildhaft betrieben werden soll. In weiteren Foren wird die Stadtentwicklung mit Blick auf die Gewässer erörtert, der Konflikt mit dem Hafen und die Bedeutung von Grünflächen für die Gesundheit der Bewohnerschaft. Auch wie das Thema Ressourcenschutz in der Kunst verarbeitet werden kann, ist ein Thema. Kurz nach 16 Uhr werden die Diskussionsergebnisse der Foren vorgestellt. Gegen 17 Uhr debattiert eine große Runde, moderiert von Herbert Schalthoff, über den Zusammenhang der Themen Klimaschutz und Bildung. KNÖ
Das ist im Moment noch offen. Die IBA plant noch ohne die Wärme von Moorburg. Es sind ja noch Klagen gegen das Kraftwerk anhängig. Ich bin zwar im Moment nicht so optimistisch, dass es dieses Kraftwerk nicht geben wird. Aber dass das Überangebot an Wärme mit der IBA kollidiert, ist völlig klar.
Aber eine Lösung ist nicht absehbar.
Ich bin grundsätzlich optimistisch. Die Stadt Hamburg schätzt den Wert der IBA und den Image-Gewinn, den sie damit haben kann, richtig ein. Eines der Schwerpunktthemen ist Klimaschutz und das muss glaubwürdig sein.
Wir sprachen über Klimaschutz bei Gebäuden. Man könnte das Thema ja auch ausdehnen, zum Beispiel auf den Transport. Hier ist noch nicht viel zu sehen.
Die IBA ist ja noch in Arbeit. Wir haben die Frage Transport genau diskutiert: Wie schafft man den Sprung über die Elbe, ohne dass man auf ein Auto angewiesen ist? Es geht nicht nur darum, sich um Gebäudeeffizienz zu kümmern. Dafür bräuchte man nicht unbedingt eine IBA.
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