Das Streicheln der 23.000

20 Tage vor der Wahl veröffentlicht der Gesamtpersonalrat eine Umfrage, wie Politiker künftig mit dem öffentlichen Dienst verfahren wollen. Die meisten Antworten sind zahm. Was sonst?

taz ■ Was ist zu erwarten von Politikern vor ihrer erhofften Wiederwahl? Dass sie 23.000 Wähler gegen sich aufbringen? Bestimmt nicht. Das wären nämlich alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Bremen – und die wird wohl keine Partei vergrätzen, nicht in diesen Tagen. Deshalb ist es kein Wunder, dass Edmund Mevissen, Vorsitzender des Gesamtpersonalrats (GPR), „durchaus positiv“ angetan ist von einer Umfrage unter den VertreterInnen von SPD, CDU und Grünen.

Wie sie es mit dem öffentlichen Dienst und vor allem seiner Privatisierung hielten, wurden CDU-Spitzenkandidat Hartmut Perschau, SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen sowie Grünen-Spitzenkandidatin Karoline Linnert gefragt. Wie wohl? Alle hätten „betont, wie wichtig der öffentliche Dienst ist“, referiert Edmund Mevissen die Ergebnisse der Umfrage, die im aktellen Magazin des GPR, „Mumm“, auf vier Seiten zusammengefasst ist. Bei SPD und Grünen entdeckt der Personalvertreter eine „gehörige Skepsis in Bezug auf die Privatisierung.“ Im O-Ton heißt das bei Böhrnsen: „Wir werden der Frage, ob bei den Aufgabenverlagerungen zu privaten Gesellschaften wirklich effektivere und qualitativ gleichwertige Strukturen geschaffen wurden, künftig verstärkt nachgehen.“ Hartmut Perschau sagt: „Für eine Rücknahme von Privatisierungen bestehen aus unserer Sicht derzeit keine Gründe“. Und Karoline Linnert fordert „ein Beteiligungsgesetz, in dem die Verpflichtung zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit festgelegt wird.“ Dass die rund 230 privatrechtlich organisierten Gesellschaften, die einst öffentlich erledigte Aufgaben erfüllen, auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft würden, habe die Bürgerschaft längst beschlossen, die Koalition tue es nur nicht. Und auch SPD-Böhrnsen fordert „dringend“ eine bessere parlamentarische Kontrolle.

Auch sonst ist es Perschau, der bei aller Formulierungskunst am ehesten seine Abneigung gegen allzu viel Mitsprache der Beschäftigten offenbart. Befragt nach dem Personalvertretungsgesetz – „wir wollen es erhalten“ (Böhrnsen), eine Änderung sei „nicht notwendig“ (Linnert) – antwortet Perschau: Es müsse „nachgedacht werden, inwieweit das Gesetz noch den aktuellen Anforderungen entspricht und angepasst werden muss.“

Der Gesamtpersonalrat hält wenig von der Privatisierung. „Schick“ sei das, aber nicht begründbar, heißt es. Der GPR behauptet gar, die Zahl von Menschen, die mit einst staatlichen Aufgaben beschäftigt seien, sei nicht zurückgegangen – im Gegenteil: Es seien mehr geworden. Belegen können die Personalvertreter das nur in Einzelfällen: Im Liegenschaftswesen gebe es eine Gesellschaft mit rund 100 Mitarbeitern und vier Geschäftsführern. Als deren Aufgaben noch von einer Dienststelle erledigt wurden, schafften das 55 Mitarbeiter und ein Chef.

Nein, es gehe nicht nur um Besitzstandswahrung, um Einhaltung der Tarifverträge und umBeschäftigtenrechte, betonen die Personalvertreter. Es gehe auch, so Mevissen, „um die Gestaltung des Gemeinwesens: Mit der Privatisierung verabschieden sich Politiker davon, Verantwortung für die Erledigung von Aufgaben zu übernehmen“.

Bis 2010 wird ein Drittel der Beschäftigten aus Altersgründen den öffentlichen Dienst verlassen – und während die Politiker von „Einstellungskorridore erhalten“ (Perschau), von einem „strategischen Personalentwicklungskonzept“ (Böhrnsen) und von „mehr Ausbildungsplätzen und Hochschulstudiengängen mit zeitlich ausgedehnten Praxisphasen“ (Linnert) reden, können die Personalvertreter ein aberwitziges Stück Privatisierung präsentieren: Die Ausbildung für den gehobenen Dienst in der öffentlichen Verwaltung wurde auch ausgelagert – an die Hochschule Bremen. Die Folge: „Der Studiengang hat jetzt eine Ausrichtung, die nicht unbedingt den Erfordernissen der bremischen Verwaltung entspricht“, so Mevissen. Zu wenig bezogen auf die bremische Praxis sei der Studiengang, zu viele Bewerber qualifizieren sich für andere Jobs als die in der bremischen Verwaltung. Der Effekt: Bei diversen Einstellungsrunden seien „nicht genügend qualifizierte Bewerber gefunden“ worden. Inzwischen „soll nachgebessert werden“. Susanne Gieffers