Chef ohne Schimmer

Vorstand der Nürnberger Bundesagentur will nichts von Mehrkosten für Internetportal gewusst haben

BERLIN ap/dpa/taz ■ Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit, weist Kritik an seinem Vorstandskollegen Heinrich Alt zurück. Es gebe keine Hinweise, dass Alt gewusst habe, wie teuer das neue Internetportal zur Jobvermittlung tatsächlich sein wird, so Weise. Ein hochrangiger Mitarbeiter der Bundesagentur sah das anders: Alt sei schon im August 2003 darüber informiert gewesen, dass das Projekt 114,6 Millionen Euro statt der geplanten 65 Millionen kosten würde, sagt er der Welt.

Damit gerät Alt in Erklärungsnot. Schließlich ist er im Vorstand für das neue Internet-Portal zuständig. Dass er nicht gewusst haben soll, wie viel der „virtuelle Arbeitsmarkt“ tatsächlich kostet, bezweifelt der Nürnberger Mitarbeiter: Man sei von Anfang informiert gewesen, dass die 65 Millionen Euro nicht ausreichen würden. Kritik übte auch der Vertreter der bayerischen Arbeitgeber im Verwaltungsrat, Stephan Götzl. Er habe seit Mitte 2003 mehrmals nachgefragt, wie sich die Kosten entwickeln, aber keine Antwort erhalten.

Unterdessen betonte Weise, er selbst sei nicht für die Kostensteigerungen verantwortlich. „Ich war zu keiner Zeit technisch wie fachlich an der Planung und Projektsteuerung beteiligt“, sagte der Chef der Bundesagentur. Weise hatte den Ausbau des virtuellen Arbeitsmarkts vor wenigen Tagen gestoppt und Projektleiter Jürgen Koch von seinen Aufgaben entbunden. Wenn das Konzept nicht funktioniere, werde man kein neues Geld investieren, so Weise.

Dabei sollte die Online-Stellenbörse eine zentrale Säule sein, um die Behörde zu einem modernen Dienstleister umzubauen. Doch der Ruf des Projekts ist längst beschädigt: Es gilt als wenig effektiv – und viel zu teuer. Laut Weise wird das Portal 165 Millionen Euro kosten. Das Unternehmen Accenture, das die Online-Jobbörse betreut, sprach von 125 Millionen. 44 Millionen Euro sind nach Angaben einer Sprecherin bereits ausgegeben. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, ob die Bundesagentur Gelder veruntreut hat.

Trotz der Kritik werden die Nürnberger wohl weiterhin mit Accenture zusammenarbeiten. Ein Ausstieg aus dem Vertrag sei kaum möglich, sagte Weise – und das Projekt zu weit gediehen, als dass es von anderen übernommen werden könnte. COS