Es ist schön hier

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Weihnachtsmärkte sind das Letzte. Eigentlich. Aber dann ist da noch der Adventsmarkt in Dahlem

Da nun das erste Kerzchen auf dem Adventskranz entzündet ist und auch die erste Panik schon ausgebrochen, was man wem schenken kann, ist Weihnachten definitiv nicht mehr zu leugnen. So beginnt denn auch die Zeit der Weihnachtsmärkte, und von allem, das sich so schimpft. Keine Fußgängerzone kommt mehr ohne Pony aus, ohne Schießstände, Autoscooter, Duftöl und Zeug, das sich Kunsthandwerk nenne. Beschallt wird das ganze von blechernen Dudelliedern. Wie es sich gehört, riecht es nach gebrannten Mandeln.

Und was gibt es sonst zu essen? Entweder einen halben Meter Bratwurst oder eine lieblose China-Pfanne. Kurzum: Weihnachtsmärkte sind das Letzte. Hässlich, überflüssig und mitleiderregend, schließlich sitzt in jeder dieser abscheulichen Buden ein Mensch. Man würde die Hoffnung schon ganz verlieren, dass Weihnachten und die dazu gehörenden Märkte irgendwie auch schön sein können.

Und dann stolpert man unverhofft über den Adventsmarkt auf dem Gelände des Freilichtmuseums der Domäne Dahlem, der an jedem Wochenende offen hat. Man zahlt seinen Eintritt und sieht echte Lebensmittel, die verkauft werden. Käse und Gemüse statt Schokoladenbananen. Danach folgt eine dunkle, heimelige Welt. Die kleinen Stände, die sich um den Hof und die Scheune reihen, sind beleuchtet, ein Feuer lodert, um die Glühweintrinker zu wärmen. Vor dem Tannenbaum steht ein Schmied, der seine Eisen in die Glut hält.

Die vielen Kinder, beinahe ausschließlich in bunten Multifunktionsjacken gekleidet, laufen zur offenen Scheune. Dort steigen gerade vier ältere Männer auf eine Bühne. Sie sind als Nikolause verkleidet und spielen auf ihren Posaunen stimmige Weihnachtslieder. Die Kinder starren sie entweder mit offenen Mündern an – oder sie tanzen. Ein versöhnliches Bild. Ihre Eltern, in gedeckteren Multifunktionsjacken, trinken heißen Kakao und Glühwein. Dazu essen sie den Blechkuchen. Der Streuselkuchen hat eine schwere, buttrige Qualität und schlägt jede Torte. Der Honigkuchen ist fest, fast ein Keks. Wer gerne etwas Deftiges möchte, kauft eine Bratwurst. Die ist keinen halben Meter lang, dafür aber bio. Das Fahrgeschäft ist kein Autoscooter, sondern ein Ring mit traktorenförmigen Rutschautos, mit denen die Kinder ineinander krachen.

Wer die Hoffnung schon verloren hat, jemals einen Weihnachtsmarkt zu finden, auf dem man Sinnvolles und Schönes kaufen kann, auf dem sich nicht der Magen vor Kitsch und Ramsch umdreht, der sollte zur Domäne fahren.

Es ist schön hier.

ADVENTSMARKT DOMÄNE DAHLEM, Königin-Luise-Straße 49, 14195 Berlin, Tel. (0 30) 66 63 00-0, U-Bhf. Dahlem Dorf, Sa/So 11–19 Uhr, Eintritt 2 €