So sicher wie Tokio

Kaum Kriminalität, dafür Feindbilder: Ronald Schill hat sich richtig entschieden. Uruguay ist das perfekte Ziel für den auswanderungswilligen Juez sin Piedad

Montevideo tãz ■ Ronald Schill hat gut gewählt. Zumindest was sein Auswanderungsziel angeht. Obwohl sein ehemaliger Parteikollege Mario Mettbach raunte, es sei die letzte Lüge des Ex-Innensenators, dass er seine Zelte in Uruguay aufschlagen wolle – „Mir hat er erzählt, er will nach Thailand!“ –, gibt es kaum ein passenderes Reiseziel für den soignierten Partylöwen und Lebemann. Aus Montevideo schallt ihm ein herzliches Willkommen entgegen: „Wir freuen uns auf den Juez sin Piedad“, den Richter Gnadenlos, heißt es in gewissen Kreisen der Hauptstadt.

Die ersten Schritte in die uruguayanische Gesellschaft sollten den passionierten Wassersportler zu Alfredo Etchegaray führen. Der Unternehmer finanziert die Bergung des deutschen Kriegsschiffes „Admiral Graf Spee“. Gerade seine Erfahrung als Taucher würde Schill zu einem wertvollen Mitarbeiter qualifizieren. Darüber hinaus wäre Etchegaray der Richtige, den virilen Bonvivant in die besseren Kreise einzuführen, organisiert er doch Modeschauen und Prominentenpartys in Montevideo.

Auch im politischen Bereich gäbe es für Schill nichts auszusetzen – außer vielleicht, dass er wenig zu tun hat. Längst sind die Zeiten vorbei, als Uruguay noch eine der solidesten Militärdiktaturen Südamerikas war. Heutzutage glänzt Montevideo mit einer erfreulich niedrigen Kriminalitätsrate und ist nach Tokio die zweitsicherste Hauptstadt der Welt. Auch „Rassenprobleme“ kennt man dort nicht.

Dennoch muss der reiselustige Richter nicht auf Feindbilder verzichten: Die Gewerkschaften sind in Uruguay traditionell stark vertreten, und im Parlament sitzen neben den Sozialdemokraten auch noch ein paar Kommunisten. Perfekte Voraussetzungen für gelungene sprachliche Aussetzer, mit denen Schill das sympathische Land am Rio de la Plata im Sturm erobern wird. Eberhard Spohd