Alles neu – nichts verändert sich

Bewegung kommt einen Tag nach der Bürgerschaftswahl nur ins Personalkarussell. Inhaltlich steuert die CDU ungestörter denn je ihren Kurs weiter

Bei der CDU ist das Gerangel um die Senatsposten in vollem Gange. Auch außerhalb Hamburgs wird geguckt

von PETER AHRENS
und SVEN-MICHAEL VEIT

Es wird sich etwas ändern, und alles bleibt, wie es ist. Man wird sich an einige neue Gesichter im Hamburger Senat gewöhnen müssen, aber vor allem daran, dass die Politik des Rechts-Senats jetzt ungebremst und auf vier Jahre angelegt, weitergeht wie bisher.

Wachsende Stadt, Privatisierung öffentlicher Unternehmen, Umbau des Bildungssystems, Repression in Justiz- und Innenpolitik und Abbau im Sozialbereich – das wird auch die kommende Legislaturperiode ausmachen. CDU-Bürgermeister Ole von Beust wird dabei möglichst schnell den Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser über die Bühne bringen wollen – gegen das Votum des Volksentscheides. Bereits heute soll im Senat die Veräußerung der öffentlichen Gebäude auf der Agenda stehen.

Ansonsten wird sich der Senat in seiner ersten Zeit der Baustelle der Kinderbetreuung zuwenden und sie möglichst zu befrieden trachten. Das Kita-Chaos ist mit dem Namen FDP verknüpft, und es wird von Beusts Bestreben sein, dass dies auch so bleibt. Ob die versprochenen zig Millionen, die der nun abgewählte FDP-Bildungssenator Reinhard Soltau im Wahlkampf nachgeschossen bekam, allerdings fließen werden, ist die erste Nagelprobe des neuen Senats.

Überraschungen auf anderen politischen Feldern sind ausgeschlossen, das hat von Beust zuletzt im taz-Interview kurz vor der Wahl bekräftigt. Weiter so, ist die Devise. Und das Wahlergebnis gibt von Beust recht. Dass mehr als zwei Drittel der HamburgerInnen mit der Senatsarbeit unzufrieden war, verschwindet dahinter.

Das Personalkarussell dagegen rotiert schon heftig. Während es beim Sieger nun reichlich Senatsposten zu besetzen gilt, müssen die Sozialdemokraten nach der zweiten Wahlniederlage hintereinander die personelle Erneuerung überzeugend vorantreiben. Spitzenkandidat Thomas Mirow hat bereits sein Ausscheiden aus der Landespolitik verkündet: „Man soll gehen, wenn es allen Beteiligten noch ein bisschen weh tut.“ Für Spekulationen über seine Zukunft sorgte gestern die Bemerkung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, „in welcher Form auch immer“ mit Mirow zusammenarbeiten zu wollen. In Frage käme der 51-jährige als Nachfolger des glücklosen Verkehrsministers Manfred Stolpe.

Der SPD-Fraktionschef in der Bürgerschaft, Walter Zuckerer, kündigte an, erneut für diese Position zu kandidieren. Auf der ersten Sitzung der neuen Fraktion am morgigen Mittwoch wird dies vermutlich akzeptiert werden. Zuckerer dürfte zumindest für ein Jahr in seinem Amt bestätigt werden, um für personelle Kontinuität zu sorgen. Fraglich ist hingegen, ob man an vier Stellvertreterposten festhält. Zu erwarten ist eine Konzentration auf zwei Vizes. Favorisiert dafür werden die bisherigen StellvertreterInnen Britta Ernst und Michael Neumann sowie Gesundheitsexperte Mathias Petersen, der im Herbst Mirow beim internen Kampf um die Spitzenkandidatur unterlag.

Neu ausbrechen wird die Debatte um den Nachfolger von Parteichef Olaf Scholz. Diese war wegen der Neuwahl vertagt worden und soll auf einem Parteitag im Juni entschieden werden. Hinter vorgehaltener Hand war in der Vergangenheit immer wieder Sozialexperte Knut Fleckenstein als möglicher neuer Landeschef genannt worden. Aber auch Petersen werden Ambitionen nachgesagt.

Noch größeres Gerangel ist in der CDU zu erwarten, geht es hier doch um zahlreiche Senatsposten. Der Bürgermeister hat eine „zügige Klärung“ angekündigt, ohne Namen nennen zu wollen. Als sicher gilt eine zweite Amtszeit für Finanzsenator Wolfgang Peiner, der sich als verlässlichste Stütze des Bürgermeisters und heimlicher starker Mann im Senat bewährt hat. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram, Wirtschaftssenator Gunnar Uldall und Justizsenator Roger Kusch sitzen ebenfalls fest im Sattel. Dies gilt auch für den parteilosen Jörg Dräger, der als Wissenschaftssenator eine Hochschulreform ganz im christdemokratischen Elite-Sinne eingeleitet hat.

Als Nachfolger der Schill-Innensenatoren Schill und Dirk Nockemann wird Fraktionschef und Beust-Vertrauter Michael Freytag favorisiert. Das Bau- und Verkehrsressort von Mario Mettbach könnten CDU-Landeschef und Bundestagsabgeordneter Dirk Fischer oder der Verkehrsexperte der Fraktion, Bernd Reinert, übernehmen. Möglich ist hier aber auch eine Lösung von außerhalb ebenso wie in der Bildungsbehörde, die bislang von den FDP-Senatoren Rudolf Lange und Reinhard Soltau geführt wurde. Für Umwelt und Gesundheit ist der Abgeordnete und Mediziner Dietrich Wersich erste Wahl, zumal er entsprechende Vermutungen lächelnd dementiert.

Auch für das Ressort der dilettierenden Kultursenatorin Dana Horáková muss von Beust rasch eine Lösung finden. Eine erneute monatelange Vakanz wie zu Beginn seiner Amtszeit, als die Parteilose mit dreimonatiger Verspätung berufen wurde, kann von Beust sich nicht noch mal erlauben. Aufgedrängt hat sich bislang noch niemand, höchstens einer hat sich selbst ins Gespräch gebracht: Filmregisseur Dieter Wedel.

Vergleichsweise ruhig wird es hingegen bei den Grünen zugehen. Spitzenkandidatin und Fraktionschefin Christa Goetsch dürfte ebenso unumstritten sein (Interview unten) wie die Parteichefin und Bundestagsabgeordnete Anja Hajduk.

Der erste Kopf rollte indes bereits bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive. Bundesvorsitzender und Bausenator Mettbach trat gestern zurück. Nun ist die Ex-Schill-Partei, die kaum noch jemand wählte, auch noch führungslos.