Kampagne zur Fastenzeit

In Brasilien hat sich die Kirche den Kampf um Wasser als Allgemeingut zu Eigen gemacht

PORTO ALEGRE taz ■ „Wir haben mehr von der Regierung erwartet“, sagt Geraldo Majella Agnelo. Der Vorsitzende der Brasilianischen Bischofskonferenz erinnert daran, dass Präsident Lula nach eigener Aussage nicht einmal ein Prozent seiner Wahlversprechen eingelöst hat. In Brasilien kommt der heftigste Widerstand gegen die neoliberale Regierungspraxis von der katholischen Kirche.

Jüngstes Beispiel ist die diesjährige Fastenzeitkampagne unter dem Motto „Wasser – Quelle des Lebens“. In tausenden von Gemeinden wird das Thema unter allen erdenklichen Aspekten diskutiert. Neben dieser Bewusstseinsarbeit liegt der Schwerpunkt auf der politischen Aktion. Per Unterschriftensammlung fordern die Katholiken ein neues Wassergesetz. Leitgedanke: Das Management des Allgemeinguts Wasser müsse auch künftig die Aufgabe staatlicher Behörden bleiben, allerdings gehe das nicht, ohne die demokratische Kontrolle auszuweiten. „Wir werden keinerlei Privatisierung akzeptieren“, betont Kardinal Majella.

Hintergrund ist die internationale Wasserdebatte: Seit den 90er-Jahren wird der Ruf nach Privatisierung immer lauter. Auch in Brasilien, wo trotz immenser Süßwasserreserven noch immer jeder Fünfte keinen Trinkwasseranschluss hat und die Abwassersysteme nur die Hälfte aller Haushalte abdecken, ist Public Private Partnership in Mode gekommen. Kritiker befürchten daher eine Liberalisierung durch die Hintertür.

Der Wasserprivatisierung sei schon durch die Verfassung ein Riegel vorgeschoben, wendet der Regierungsberater Antonio Eduardo Lanna ein und wirft den Bischöfen vor, mit der Fastenkampagne „enorme Verwirrung“ zu stiften. Bei der Abwasserversorgung, bei der man über Privatisierungen nachdenke, handle es sich um eine „Dienstleistung“.

Genau diese Debatte wollten die Kirchenleute anstoßen. Erforderlich sei eine „nationale Politik zur Nutzung des Regenwassers“ und die Förderung erneuerbarer Energien, „um unsere Flüsse zu schonen, die durch den Bau großer Staudämme verwüstet werden“, erklären sie.

In der Vergangenheit haben es die Katholiken immer wieder verstanden, komplexe Themen wie Auslandsverschuldung oder die gesamtamerikanische Freihandelszone FTAA auf die politische Agenda zu setzen. 2003 trug die Fastenkampagne zu einem neuen Gesetz bei, durch das die Absicherung der Rentner verbessert wurde. GERHARD DILGER