Volksverhetzer dürfen nicht demonstrieren

Das Oberverwaltungsgericht hat entschieden: Die NPD-Demonstrationen gegen den Synagogenbau in Bochum sind „volksverhetzend“ und werden verboten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen wird aufgehoben

Der soziale Geltungsanspruch der in Deutschland lebenden Juden wird in Abrede gestellt

MÜNSTER taz ■ Die NPD-Demonstrationen gegen den geplanten Bau einer Synagoge in Bochum dürfen nicht stattfinden. Der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster hat die beiden für den 13. und 20. März angekündigten Kundgebungen strikt verboten. Bereits das Demonstrationsmotto „Stoppt den Synagogenbau – 4 Millionen fürs Volk“, erfülle eindeutig den Straftatbestand der Volksverhetzung und sei eine nicht hinnehmbare Provokation.

Eine klare Absage erteilte das Oberverwaltungsgericht der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen. Dessen Entscheidung wurde aufgehoben. Die Verbotsverfügung des Bochumer Poliziepräsidenten Thomas Wenner wurde in vollem Umfang bestätigt.

Wenner hatte die Demos Ende Januar verboten, nachdem in der Stadt massiver Protest gegen die NPD-Aufmärsche laut wurde. Die Demos stellten eine „erhebliche Störung der öffentlichen Ordnung dar“. Zuvor wandten sich Ratsfraktionen, Kirchen und Gewerkschaften einmütig gegen die antisemitischen Aktionen. 24 Richterinnen und Richter der Ruhrstadt hatten sich in einem offenen Brief für eine Untersagung der Kundgebungen ausgeprochen. Das sei juristisch zulässig, so die Juristen.

Das OVG stellte jetzt fest: Wegen eines Verstoßes gegen strafrechtliche Bestimmungen und der antisemitischen Provokation könne sich die NPD nicht auf das Recht der Versammlungsfreiheit berufen. Die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei durch die geplanten NPD-Demonstrationen unmittelbar gefährdet, heißt es in dem rechtskräftigen Beschluss.

Für den 5. Senat steht fest: „Das Motto der Demonstration richtet sich für jedermann erkennbar in hetzerischer Weise gegen eine Glaubensgemeinschaft, die durch ihre Verfolgung im ‚Dritten Reich‘ besonders gekennzeichnet ist. Die in der Zeit des Nationalsozialismus erfolgte menschenverachtende Stigmatisierung von Juden und die damit implizit verbundene Aufforderung an andere, sie zu diskriminieren und zu schikanieren, gebieten auch heute eine besondere Sensibilität im Umgang mit Juden. Das Motto ‚Stoppt den Synagogenbau – 4 Millionen fürs Volk‘ stellt den sozialen Geltungsanspruch der in Deutschland lebenden Juden in Abrede.“

Nach Ansicht des OVG seien die NPD-Demonstrationen keine bloße Kritik an der finanziellen Beteiligung von Stadt und Land am Synagogenbau. Auch bei ihrer Finanzkritik verfolge die NPD eine „volksverhetzende Intention“, wenn sie aggressiv von „einem jüdischen Prunkbau auf Kosten des deutschen Steuerzahlers“ spreche.

Das mildere Mittel der Erteilung von Auflagen für die Demonstration kam wegen der antisemitischen Hetze für die Richter nicht in Betracht. Nur das generelle Verbot sei zum Schutz elementarer Rechtsgüter angemessen, heißt es. (AZ: 5 B 392/04)

KLAUS BRANDT