Der Präsident von Uruguay

Schill geht und wird nach eigener Einschätzung „vielleicht Präsident von Uruguay“. In Hamburg bleibt die „Bild“ alleine zurück – und muss sich nun eine andere Sau suchen, die sie durchs Dorf treiben kann

VON CHRISTOPH TWICKEL

Wandert er aus? Oder blufft er nur? Schon nach seiner Entlassung im vergangenen August hatte Ronald Schill mit der Heimsuchung Lateinamerikas gedroht. Damals war Kuba das Traumziel. Ihn fasziniere „der morbide Charme des untergehenden Castro-Regimes“, hatte der Ex-Innensenator damals der Bild zugeraunt. Es wurde nur ein mehrwöchiger Urlaub daraus. Am Wahlsonntag erklärte Schill dann, er wolle auf die Schlappe reagieren und nach Südamerika auswandern. „Vielleicht werde ich ja Präsident von Uruguay“, mutmaßte er, gestern assistierte die Bild mit weiteren Vorschlägen: Argentinien („seit dem Zweiten Weltkrieg Refugium für kriminelle Politiker“), Thailand („herzig-heitere Frauen“) oder Kolumbien („bedarf einer starken Hand“). Alle „schön weit weg“, wie die Zeitung mit jener Launigkeit feststellte, mit der sie Schill seit über drei Jahren auf Schritt und Tritt begleitet.

Sie werden sich fehlen, denn sie waren wie füreinander gemacht: hier der Polit-Hasardeur, der wahlweise als „Richter Gnadenlos“ oder „Partynator“ Halligalli machte. Dort das Springer-Blatt, das den Law-&-Order-Kurs des Ex-Innensenators mit Alarmberichterstattung über „Chaoten“ und Drogenkriminalität erst befeuerte. Das passte wie Arsch auf Eimer und verschaffte der Stadt heißes Politainment.

Der Spuk ist vorbei, Schill ist weg vom Fenster, und die Bild ergeht sich in Häme. Ausgeschlossen von den TV-Kandidatenduellen musste Ronald Barnabas Schill wie ein verzweifelter Sektenführer zwei Tage vor der Wahl die Anrufbeantworter der Hamburger voll texten. Derweil die großen Parteien mit seinem Thema Wahlkampf machten: „1.000 neue Polizisten eingestellt“, prahlte die CDU, „mehr Polizei auf Hamburgs Straßen“ forderte die SPD. Dass man in Hamburg im politischen Abseits steht, wenn man Distanz zur Ordnungsmacht zeigt, ist nicht zuletzt Schill zu verdanken. „Ich räume auf!“ hieß sein Slogan bei dieser Wahl.

Nun räumen andere auf, professioneller, unauffälliger, effektiver. Und das mit ihm, der das Aufräumen erfunden hat: Wen wundert es da, dass sich der Exrichter nach der Wahl als Rufmordopfer geriert?

Was bleibt, sind kleinstkarierte Verschwörungstheorien, und davon schießen bei der PRO-DM/Schill-Partei gleich mehrere ins Kraut: Eine Pressemitteilung beklagte gestern die „diffamierende Kampagne der Lokalpresse“, die die „Wahl massiv beeinträchtigt“ habe.

Dass die CDU-Senatoren mit ihrem Titel für die Partei geworben hätten, sei verfassungswidrig, hatte Schill noch während des Wahlkampfs erklärt. Und Geschäftsführer Richard Braak sprach gegenüber der taz von einem „planmäßigen Zerstören von Wahlplakaten“.

Er rät Journalisten davon ab, dem Parteiführer am Hamburger Flughafen aufzulauern: Schill komme zurück, man habe Klage beim Hamburgischen Verfassungsgericht eingereicht. Das Hamburgische Verfassungsgericht habe diese zwar ablehnen wollen, ließ die PRO-DM/Schill-Partei gestern verlauten, es sei aber vom Bundesverfassungsgericht korrigiert worden. „Herr Schill hat bereits betont, dass er, sollte es zu Neuwahlen kommen, natürlich zur Verfügung stehe“, heißt es in der Pressemeldung.

Neuwahlen? Bundesverfassungsgericht? Klage eingereicht? Beim Hamburgischen Verfassungsgericht wusste man gestern von nichts. „Bei uns nichts in dieser Hinsicht eingegangen“, sagte Geschäftsstellenleiter Ingo Frohböse, eine Ablehnung habe es nicht gegeben, und das Bundesverfassungsgericht könne Schill schon gar nicht anrufen: „Es gibt kein Rechtsmittel gegen eine Ablehnung durch das Hamburgische Verfassungsgericht“, so Frohböse.

Alles Luftnummern also. Ronald Schill deliriert sich ein letztes Aufbäumen zusammen – mit einer Verfassungsklage, die nur in der Pressemeldung existiert.

Zumindest um seine Bezüge muss er nicht fürchten. Die rund 175.000 Euro, die er als Ex-Innensenator an Übergangsgeld kassiert – 6.259 Euro pro Monat, wie die Bild dankenswerterweise ausgerechnet hat – werden ihm erhalten bleiben.

Sowohl die SPD-Opposition als auch einzelne Koalitionspolitiker hatten erwogen, das Übergangsgeld anfechten zu lassen, weil Schill die Würde des Amtes verletzt habe. Abgesehen davon, dass die Angelegenheit juristisch schnell ein Eigentor hätte werden können, habe man sich aber in der Senatskanzlei dahin gehend verständigt, dass eine solche Klage „auf ein grandioses Schmutzige-Wäsche-Waschen hinausgelaufen wäre“.

Schade für Schill: Für ihn hätte es den letzten Auftritt im Rampenlicht bedeutet. Ein letztes Mal Skandalnudel. Eine letzte Schlagzeile bei Bild.