village voice: Sie reden wenig und lachen viel: Das Duo Mondo Fumatore entfaltet unerhörte klangliche Brillanz
Der große Geist der Unabhängigkeit
Zurück ins Jahr 2001: In Berlin brennt die Luft. In den Clubs wütet die Achtziger-Revival-Pest, Elektrospießer tüfteln sich zu Tode, auf Konzerten sind die Gespräche der Besucher lauter als die Musik, die gespielt wird, und seichtes Elektropopgeplätscher begeistert die Massen. Während also die Berliner Szene hip und hipper wird in ihrer Begeisterung über sich selbst, zieht sich das Kreuzberger Krach-Pop-Duo Mondo Fumatore für zwei Jahre zurück, um sein drittes Album aufzunehmen. In Heimarbeit widmen sich Mondo Fumatore der perfekten Symbiose von verzerrten Gitarren, wundervollen Harmoniegesängen, coolen Brech-Beats, dicken Synthiebässen und cleveren Samples.
Mondo Fumatore, das sind Gwendolin, die verdrehte Gitarrenkatze mit der zarten Stimme, und Marc, der Saiten-Tasten-Knöpfchen-Tiger mit dem sexy Rock-’n’-Roll-Organ. Seit 1997 machen die beiden zusammen Musik. Damals noch ein Paar, tobten sie mit ihrem famosen Schlagzeuger Bernd durch die bunte Welt des Indierock. Nach der Veröffentlichung ihres ersten Albums „Rolling like an egg“ 1998 tauschten sie Bernd (ein Opfer seines Studiums) notgedrungen gegen eine Maschine ein. Mehr Elektronik und mehr Noise ist die Folge. Im Jahr 2000 folgt das Album „plays Rodeo“, auf dem das Duo die potenziellen Hits mit dumpfem Gitarrenlärm und ungelenkem Samplebrei zuschüttet. Die Beats wollen noch nicht so richtig rollen, doch der wahre Musikkenner liebt Mondo Fumatore für diesen melodiösen Lärm. Alle anderen hassen sie dafür. Inzwischen haben sie die Technik im Griff und nicht mehr umgekehrt und so haben sie ihrem aktuellem Album zu einer unerhörten klanglichen Brillanz verholfen.
Diese neue Klarheit gibt der kompositorischen und musikalischen Vielschichtigkeit von Mondo Fumatore auf ihrem neuen Album endlich den Raum, den sie braucht, um ihre Schönheit vollends zu entfalten. Und sie verleiht der Musik viel mehr Druck. Bei einem unglaublichen Überangebot an Gitarren-, Keyboard- und Gesangsmelodien ist ihnen eine wirbelnde Spitzen-Mischung aus Dancealbum, Abrock- und Zuhörplatte gelungen.
Wer allerdings die Texte verstehen will, der muss „geistige Mitarbeit“ leisten, da Mondo Fumatore ihre überwiegend gesellschaftskritischen Gedanken hinter subtilen und mitunter recht psychedelischen Metaphern verstecken. In „Bee“ (gimme some bee – release the flowers – gimme black grease – and a painful shower) geht es z. B. um Öl und die Rücksichtslosigkeit der Mächtigen.
Es gibt aber auch schlichtere Aussagen, wie bei „Futarage“, dessen Inhalt Mondo-Marc bereitwillig mit „Ärsche weg aus meinem Blickfeld“ zusammenfasst. Das ist sowohl als ein „pubertäres ‚lasst mich in Ruhe‘“ wie auch als ein „sagt uns nicht, was wir machen sollen“ zu verstehen und beschreibt sehr schön die Haltung, mit der Mondo Fumatore ihren musikalischen Weg gehen. Es ist der große Geist der Unabhängigkeit.
Sie waren noch nie so eindeutig einem Klischee zuzuordnen wie die meisten anderen Berliner Szene-Stars und sind deshalb vielleicht auch nicht so flächendeckend beliebt wie andere. Sie sind nicht richtig Elektro und nicht wirklich Rock, sie sind keine Nerds und keine Poser, sie kleiden sich unspektakulär, buhlen nicht um Aufmerksamkeit, und bei Konzerten sind sie so natürlich und nah, als wäre man bei ihnen im Übungsraum zu Gast. Sie reden wenig, aber lachen viel. Sie freuen sich über ihre Musik und über das Publikum. Sie sind sympathisch, charmant, unterhaltsam und vermutlich die lässigste Band Berlins. Sie haben es überhaupt nicht eilig, berühmt zu werden, aber mit der aktuellen Platte wird ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben.
OLGA-LOUISE DOMMEL
Mondo Fumatore „Mondo Fumatore“, Rewika Records, EFA
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