werner thissen, erzbischof von hamburg
: Der Vielseitige

Schwer fällt es ihm. Sich etwas zu wünschen. Etwas Konkretes. Und so sammelt der Hamburger Erzbischof Werner Thissen zu seinem 70. Geburtstag Spenden für den Mariendom im Hamburger Stadtteil St. Georg.

Dabei ist er weltlichen Interessen bei anderen Gelegenheiten gar nicht abgeneigt und verlegt seine Kanzel auch an ungewöhnliche Orte. Sei es – als bekennender HSV-Fan und Autor eines Buches über das Wesen des Abpfiffes – ins Fußballstadion, zum Abendessen im Congress Centrum oder ins Thalia Theater. Der Erzbischof nutzt alle Gelegenheiten, um Gottes Wort zu verbreiten – und nebenbei die fatale Vergötzung von Neurowissenschaft und Humangenetik zu verdammen.

Thissen wird nicht müde, die Würde der menschlichen Wahlfreiheit zu betonen – und zwar diejenige, die Welt in den göttlichen Koordinaten der Schöpfungsgeschichte zu deuten. Aber auch so weltliche Philosophen wie Sartre und Freud tauchen in seinen Predigten auf. Letztendlich zählen für den Theologen aber nur der Glaube und die Hoffnung.

Vor fünf Jahren wurde der gebürtige Klevener zum Erzbischof berufen. Nach Hamburg – und damit in die katholische Diaspora. Man pflegt einen freundschaftlichen Umgang mit den Protestanten, im Gegensatz zu anderen Bistümern sind die Mitgliederzahlen hier nur leicht zurückgegangen. Das mag daran liegen, dass Thissen wenig Berührungsängste zeigt. So fand erstmals zu Ostern ein katholischer Podcast seinen Weg ins Internet, nun zur Weihnachtszeit setzt sich der Erzbischof wieder die Kopfhörer auf und produziert neue Ansprachen.

Bis jetzt trübte nur ein größerer Skandal seine Amtszeit. Im April diesen Jahres erging Anklage wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gegen einen Priester. Mittlerweile wurde das Verfahren eingestellt und der Erzbischof kann seinen Finger getrost in andere Wunden legen. Soziale Ungerechtigkeiten beispielsweise, denn er ist auch Vorsitzender von Misereor.

Aber heute feiert er erst einmal. Auch mit seiner Familie. Im Mariendom in St. Georg, wo er zu Hause ist. KENDRA ECKHORST

WERNER THISSEN, seit heute 70, promovierte über das Markus-Evangelium und ist bekennender HSV-Fan. FOTO: DPA