Am JVA-Beamten festgebissen

Vor dem Bremer Schwurgericht lautet die Anklage gegen einen 40-Jährigen Häftling auf versuchten Totschlag und Körperverletzung. Im Vergleich zum Vorstrafenregister nimmt sich das harmlos aus. Staatsanwalt gerät in Rage

„Der hat durch meinen Pullover durch an meinem Ellenbogen gekaut“

Bremen taz ■ Den einen mit dem Kartoffelschneider angegriffen, den anderen in den Ellbogen gebissen. Klaus-Dieter F. hatte sich nach Kräften dagegen gewehrt, von den Beamten der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bremen-Oslebshausen in eine andere JVA verlegt zu werden. Dafür musste sich der 40-Jährige gestern vor dem Bremer Schwurgericht verantworten. Die Vorwürfe lauteten unter anderem auf versuchten Totschlag und Körperverletzung. Als aber die Vita des Angeklagten zur Sprache kam, schien der Prozessgegenstand zu einer Lapalie degradiert.

Am 31. Oktober 2002 hatten Beamte der Bremer JVA Klaus-Dieter F. morgens mitgeteilt, dass er noch am selben Tag nach Meppen verlegt werden sollte. Der Inhaftierte wollte das aber nicht einsehen. „In Meppen wird man sehr schnell geschlagen“, behauptete er. Trotzdem habe er seine Sachen gepackt und dabei zwei Kartoffelschneider versteckt, einen im Hosenbund, einen in der Socke. Reines „Schmuggelgut“ nach Angabe des 40-Jährigen, da es in Meppen solche Messer nicht gebe. Im Besitz solcher Haushaltsmesser waren damals viele Häftlinge der JVA, wie der Vollzugsbeamte Ronald B. gestern einräumte. Im Werksbetrieb der Anstalt wurden die Messer von den Häftlingen verpackt.

Als die Beamten Klaus-Dieter F. abführen wollten, wehrte der sich heftig und zog den Kartoffelschneider, mit dem er Ronald B. leicht verletzte. Der Angeklagte behauptete jetzt, das Messer nur gezückt zu haben, weil die Beamten ihn zu Boden zwangen und es in seinen Bauch drückte. Den Geschädigten habe er gar nicht gesehen. Ronald B. hingegen sprach von einem gezieltem Stoß. Im folgenden Handgemenge biss sich der Häftling an einem der weiteren Vollzugsbeamten fest. „Der hat durch meinen Pullover durch an meinem Ellbogen gekaut“, beschrieb der 46-jährige die Situation. Ein Reflex, weil er so hart angegangen worden sei, rechtfertigte sich der an Hepatitis C erkrankte Angeklagte, der später gebrüllt haben soll: „Ich hoffe, ich habe dich angesteckt.“

Da alle vorgeladenen JVA-Beamten ein besonnenes Bild von Klaus-Dieter F. zeichneten und ausschlossen, dass er jemanden umbringen wollte, rückten die Richter von einer möglichen Verurteilung wegen versuchten Totschlags ab. Staatsanwalt Michael Gottschalk hatte hier keine Einwände, geriet aber bei ersten Verhandlungen um das Strafmaß sichtlich in Rage. Gottschalk drang darauf, die strafrechtliche Vita des Angeklagten zu berücksichtigen. Der 40-jährige Klaus-Dieter F. ist mehrmals wegen sexueller Nötigung und Missbrauchs von Kindern verurteilt worden. Zwei Jahrzehnte seines Lebens verbrachte er in Unfreiheit. Der jüngste Fall ereignete sich in Bremen-Nord im Juli 2001, wurde aber vom Blumenthaler Amtsgericht eingestellt. Dies allerdings aus zweifelhaften Gründen, wie der Staatsanwalt und der Vorsitzende Richter Klaus Dieter Schromek unisono einräumten. „Wir haben Angst vor Leuten wie Ihnen“, wandte sich Gottschalk direkt an den Beklagten. Der Vorsitzende Richter dazu: „Die Gefahr, dass da wieder was passiert, ist da.“ Das werde aber in diesem Prozess nicht verhandelt. Ein Urteil wird am Freitag erwartet. hsc