Die alte Elite ist wieder da

Bei Wahlen im nordirakischen Mossul stützen sich die Amerikaner auf Notabeln, die einst auch mit Saddam Husseins Regime kooperiert haben

aus Kairo KARIM EL-GAWHARY

Als Testfall waren die ersten indirekten Wahlen zum Stadtrat der nordirakischen Stadt Mossul angekündigt worden. Am Ende unterstrichen die „Wahlen mit Vorbildcharakter“ vor allem eines: In der Verwaltung des Landes müssen sich die Amerikaner wohl oder übel auf Leute verlassen, die dem alten Regime Saddam Husseins zumindest nahe standen.

Der neu gewählte Bürgermeister entstammt einer der prominenten alteingesessenen arabischen Familien der Stadt. Ganim al-Basso, ehemaliger Armeegeneral, hat sich nach eigenen Aussagen persönlich in den 80er-Jahren zu Zeiten des Iran-Irak-Krieges dreimal mit Saddam Hussein getroffen, allerdings um, wie er selbst behauptet, „lediglich militärstrategische Dinge zu besprechen“. 1993 trat al-Basso von seinem militärischen Amt zurück, als sein Bruder und sein Cousin wegen angeblichen Verrats hingerichtet worden waren.

Mehr als zweihundert Notabeln der ethnisch und religiös gemischten Stadt waren am Montag aufgerufen, 24 Stadträte zu wählen. Zumindest der Rahmen dieses Gremiums war von den Amerikanern vorgeben worden. Im Rat sollten am Ende Araber, Turkmenen, Kurden, assyrische Christen und Jesiden gemäß ihrer Bevölkerungsproportion einen Sitz bekommen. Ein US-Befehlshaber vor Ort gab allerdings zu, dass es sich dabei eher um ein „Ratespiel“ handelt. So ziemlich alles, was mit der Bevölkerungsstruktur der Stadt zu tun hat, ist kontrovers. Es gibt keine verlässlichen Daten.

Der derzeit wahre Herrscher der Stadt ist US-Generalmajor David Petraeus. Er hat Erfahrung mit der Vorbereitung von Wahlen in Haiti und Bosnien. In Mossul ließ er sich offenbar von dem Prinzip leiten, keine einflussreiche Person vor den Kopf zu stoßen. Die Atmosphäre in der Stadt ist nach blutigen Zusammenstößen zwischen der US-Armee und Demonstranten, bei denen vor zwei Wochen mindestens 14 Zivilisten ums Leben kamen, ohnehin schon angespannt. Hinter den Unruhen soll Mischan al-Dschaburi gestanden haben, dessen mächtiger Stamm Gebiete den Tigris aufwärts von Bagdad bis Mossul besiedelt. Al-Dschaburi wollte sich angeblich selbst zum Gouverneur ausrufen.

US-General Petraeus löste das Problem, indem er Mischan al-Dschaburi als graue Eminenz bei der Vorbereitung der Wahlen und beim Machtschacher um die Stadt einspannte. Der neue Bürgermeister gilt als al-Dschaburis Mann. Viele in der Stadt werfen al-Dschaburi vor, geradezu ein Symbol des alten Regimes darzustellen. Arabische und kurdische Kritiker bezeichnen ihn als „Kriminellen“, der bekannt gewesen sei, für seine dunklen Geschäfte mit Saddam Husseins Sohn Udai. Später musste al-Dschaburi fliehen, weil er angeblich ausgerechnet Udai einige hunderttausend Dollar gestohlen haben soll. „Alles Vorwürfe von Leuten, die gegen mich sind“, wischt al-Dschaburi die Kritik zur Seite, gibt aber zu, sich mehrmals mit Udai getroffen zu haben.

Die Amerikaner haben es in Mossul nicht geschafft, Strukturen jenseits der alten Loyalisten Saddam Husseins aufzubauen. Wie er muss sich Washington auf die alte sunnitische Elite des Landes stützen. Die bevorzugte US-Lösung, das Machtvakuum durch die ehemalige irakische Exilopposition zu füllen, ist bisher gescheitert, da diese sich als zahlenmäßig zu schwach erwiesen hat und unter den Irakern ein schlechtes Image besitzt. Der Einfluss der großen kurdischen Gruppen ist lokal begrenzt. Die größte Bevölkerungsgruppe, die Schiiten, gelten dagegen politisch als zu unsichere Kandidaten. Der Albtraum Washingtons wäre es, wenn deren Kleriker in einigen südirakischen Städten die Herrschaft erringen könnten.

Da erweisen sich die alten Saddam-Loyalisten womöglich doch als die besten Partner, zumal sie inzwischen gelernt haben, die richtigen Töne anzuschlagen. Nach seiner Wahl zum Bürgermeister erklärte Ganim al-Basso: „Dies war der erste Schritt auf dem Weg zur Demokratie“, um dann zu versprechen, sich dabei „als treuer Soldat zu erweisen“.