Gebäudereiniger und Bäcker suchen Nachwuchs

Die Messe „Chance 2004“ will besonders Hauptschüler und Schüler ohne Abschluss in Ausbildungsplätze vermitteln. Dafür akquiriert der Arbeitskreis Jugendberatung aus Mülheim (JaM) bei Kölner Betrieben erfolgreich Lehrstellen

KÖLN taz ■ „Keine Ahnung!“, beantworten Murat, Rashid und Bianca die Frage, was sie mal werden wollen. Da geht es ihnen wie vielen anderen Jugendlichen auch – nur, dass die Drei keinen Schulabschluss haben. „Ohne Abschluss braucht man sich gar nicht erst für eine Ausbildung zu bewerben“, weiß Bianca. Um den nachzuholen, geht sie wie Murat und Rashid auf die Tages- und Abendschule TAS. Und um vielleicht doch ein bisschen mehr „Ahnung“ über seine Zukunft zu bekommen, besucht das Trio die Messe „Chance 2004“ in der Mülheimer Stadthalle: 40 Stände informierten dort gestern über Ausbildung.

Da wurde geschweißt, gedengelt, tapeziert und geschiefert: Anschauungsunterricht für den künftigen Nachwuchs. Der soll sich schon im Vorfeld ein Bild davon machen, was auf ihn zukommt, denn die Abbrecherquote in der Ausbildung liegt immer noch bei 25 Prozent.

Zum zweiten Mal fand die Messe statt, getragen wurde sie vom Kölner Schulamt, dem Arbeitskreis Jugendberatung aus Mülheim (JaM) und der Mülheimer Zweigstelle der Agentur für Arbeit. Aber auch Bildungsträger und ortsansässige Betriebe beteiligten sich. Wie im Vorjahr, als 1.500 Besucher kamen, war auch diesmal das Interesse groß. Zielgruppe waren vor allem Hauptschulabsolventen und die „Verschwinder und Abtaucher“, also Schulabgänger ohne Abschluss.

„Die ganz große Gefahr ist Resignation. Wir müssen schon in der 6. Klasse ansetzen und motivieren“, sagt Sabine Barth vom JaM. In Mülheim leben fast 900 arbeitslose Jugendliche – immerhin gut 200 weniger als letztes Jahr. „Wir arbeiten mit den Schulen zusammen und betreiben aktive Akquise bei einzelnen Unternehmen, fragen nach, ob noch Lehrstellen frei sind“, erklärt Barth den Erfolg.

Wer Gebäudereiniger werden will, hat es dieses Jahr leicht: 35 freie Lehrstellen konnte der Bereitschaftsdienst akquirieren. Noch 2.263 Ausbildungsplätze sind zur Zeit in Köln unbesetzt, das Gesamtpotential liegt bei 7.000. Trotz schlechter Arbeitsmarktlage sind die Chancen für Bäcker, Dachdecker, Anlagenmechaniker oder Fleischer gut.

In Mülheim hat fast jeder zweite Jugendliche einen Migrationshintergrund. Viele Betriebe werden von Zuwanderern geführt. Ute Richter vom Migrationsdienst der Stadt kennt die Bedingungen dort: „Wir sind seit Jahren mit Beratung präsent. Die türkische Community arbeitet gut mit uns zusammen.“ Jetzt will der JaM auch an die Eltern ran. Sabine Barth: „Manchmal kennen die Eltern das deutsche Ausbildungssystem gar nicht, und dann können sie ihren Kindern nicht helfen.“

Bianca hat sich mit Informationen über die Ausbildung zur Visagistin eingedeckt. Murat und Rashid bringen Prospekte vom Baumarkt mit: Immerhin kann man sich dort vom Verkäufer zum Filialleiter hocharbeiten. Ingrid Bäumer