Dem Brustkrebs den Kampf angesagt

Die Charité achtet bei der Behandlung von Brustkrebs auf Qualität – jetzt sogar TÜV-zertifiziert. Für die Patientinnen hat das Vorteile: Zum Beispiel müssen sie bei der Behandlung mit einbezogen werden, Wartezeiten auf Untersuchungen werden streng geprüft. Beides ist nicht selbstverständlich

VON ANGELA MISSLBECK

„Mehr Qualität“ hatte Ulla Schmidt im Rahmen der Gesundheitsreform versprochen. Das Brustzentrum der Charité scheint die Ministerin beim Wort genommen zu haben. Vom TÜV und von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) ließ es sich seine Qualität bestätigen. „Die Zertifizierung des Brustzentrums der Charité ist eine gute Nachricht für die Brustkrebspatientinnen in Berlin und Umgebung“, sagt Ministerin Schmidt. „Damit garantiert ihnen das Brustzentrum der Charité hohe Qualität und maximale Sicherheit bei Diagnostik und Behandlung.“

Rund 2.000 Frauen erkranken allein in Berlin jedes Jahr an Brustkrebs, so die AOK. Experten stellen dem deutschen Gesundheitswesen kein gutes Zeugnis bei der Behandlung aus. Es gibt Fehl- und Unterversorgung ebenso wie Überversorgung. Auch Letztere kann fatale Folgen haben: Im schlimmsten Fall wird eine Brust amputiert, weil ein Tumor gefunden wurde, und hinterher stellt sich heraus, dass er gar nicht bösartig war.

Damit so etwas nicht passiert, hat die Bundesregierung den Ärzten und Krankenhäusern mit der Reform eine Pflicht zur Qualitätssicherung verordnet. Die Kür absolvieren Einrichtungen, die Qualität nicht nur sichern, sondern auch nachweisen – so wie die Charité. „Wenn man Qualität sichern will, muss man sie auch überprüfen. Insofern sind solche Verfahren notwendig“, sagt Elfi Jantzen, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus.

Für die Zertifizierung prüft der TÜV, ob das Brustzentrum sich bemüht, Fehler während der Behandlung zu vermeiden. Das Zentrum muss dazu zum Beispiel nachweisen, dass es die Patientinnen nach ihrer Meinung fragt. Klar muss geregelt sein, wie mit anderen Ärzten zusammengearbeitet wird. Auch Katastrophen- und Vertretungspläne werden überprüft. Alles Selbstverständlichkeiten? „Unter anderem wacht der TÜV darüber, ob die Patientinnen nicht länger als eine Stunde auf ihre Untersuchung, nicht länger als eine Woche auf ihre Operation warten müssen“, so der Leiter des Charité-Brustzentrums, Professor Jens-Uwe Blohmer.

Die medizinischen Voraussetzungen des Zentrums überprüft die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG). DKG-Chef Professor Rolf Kreienberg sagt, die DKG halte sich dabei an europäische Empfehlungen und sei gerüstet, um in ein bis zwei Jahren europäische Normen für deutsche Brustzentren zu erreichen. Die Europa-Normen gelten in der Brustkrebsbehandlung als höchster Maßstab. In 170 Einzelfragen zu Diagnose, Therapie und Nachsorge checkt die DKG den Standard des Zentrums. So fordert sie unter anderem, dass alle Ärzte fächerübergreifend mindestens einmal pro Woche gemeinsam die Fälle der Patientinnen besprechen. Die psychosoziale Betreuung und die Zusammenarbeit mit Arztpraxen müssen funktionieren. Laut Blohmer gehört zur Qualitätsgarantie auch, dass vor einer Operation bei allen Patientinnen Gewebeproben entnommen werden, um unnötige Eingriffe zu vermeiden.

Im Wesentlichen versucht die DKG, die Qualität der Behandlung über die Quantität zu erfassen. Blohmer sagt: „Die DKG prüft jährlich, wie hoch die Rate nachwachsender Tumoren ist und wie häufig Komplikationen vorkommen.“ Außerdem setzt sie voraus, dass am Zentrum mindestens 150 Patientinnen pro Jahr zum ersten Mal operiert werden. An der Charité werden nach deren eigenen Angaben jährlich mehr als 300 neu erkrankte Patientinnen operiert. Bei 70 Prozent der Operationen muss nach den Forderungen der DKG die Brust erhalten werden. Auch für die Chemotherapie-Zyklen ist eine Mindestanzahl von 2.000 pro Jahr gefordert.

„Ein Doktor, der viel operiert, kann trotzdem schlecht operieren. Und einer, der wenig operiert, kann trotzdem gut sein“, gibt der Berliner Ärztekammerpräsident, Dr. Günther Jonitz, zu bedenken. Er rät zu wohlwollender Skepsis: „Das Zentrum muss sich in der Praxis bewähren.“ Wer Qualität nachweise, habe aber einen Wettbewerbsvorteil, sagt Jonitz.

Das gilt wohl auch für die Charité. „Das Brustzentrum am Klinikum Berlin-Buch war das erste, das hohe Qualitätskriterien forderte. Dieser Vorsprung geht jetzt unter“, sagt Martina Schröder vom Feministischen Frauengesundheitszentrum (FFGZ) Berlin. Bereits Anfang der Neunzigerjahre wurde dort festgelegt, dass die Ärzte zur Brustkrebsbehandlung fächerübergreifend zusammenarbeiten sollen, so der Pressesprecher des Klinikums. Nach seinen Angaben werden in Buch jährlich 400 neu erkrankte Frauen behandelt, die Ärzte besprechen die Fälle täglich, zwei Psycho-Onkologen gehören zum Team.

Dafür hat die Klinik am Rande Berlins zwar kein Zertifikat erhalten, aber sie nimmt als eines von bisher sechs Brustzentren am Disease Management Programm (DMP) Brustkrebs teil. Die Zentren im Programm müssen Forderungen erfüllen, die den europäischen Kriterien sehr nahe kommen. Sie werden von einem Gremium von Krankenkassenvertretern überprüft, aber nicht zertifiziert. Auch das Kreuzberger Urban-Klinikum beherbergt ein Brustzentrum, das am DMP teilnimmt. Weitere sind am Krankenhaus Lichtenberg, Waldkrankenhaus Spandau und Krankenhaus Waldfriede angesiedelt.

„Die Disease-Management-Programme zur Behandlung von Brustkrebs und die Zertifizierung von Brustzentren zielen beide in die Richtung, die Behandlung von Brustkrebs zu verbessern. Deshalb sollten die Akteure anstreben, beide Initiativen zu koordinieren“, sagt Berlins Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS). Fraglich ist also, ob die Qualitätsnachweise, die auf mehr Übersicht im medizinischen Angebot zielen, nicht ihrerseits unübersichtlich werden, wenn mehrere nebeneinander bestehen.

Indes besteht Einigkeit darüber, dass sowohl das Programm als auch die Zertifizierung die Qualität in der Brustkrebsbehandlung verbessern können. Blohmer von der Charité sagt über das DMP: „Im Bundesvergleich steht Berlin sehr gut da. Hier werden die Kriterien der europäischen Fachgesellschaft weitestgehend erfüllt.“ Auch Knake-Werner sagt, das DMP sei ein wichtiger Schritt, um die Qualität in der Behandlung von Brustkrebs zu verbessern. „Das Programm stellt die psychosozialen Aspekte der Erkrankung ins Zentrum“, lobt Martina Schröder. Doch das FFGZ will die Entwicklung kritisch begleiten: „Wir verlassen uns nicht darauf, dass jetzt alles wunderbar wird.“