Unis studieren den Protest

Bei Vollversammlungen in der TU und HU kündigen Studenten und Unileitung trotz inhaltlicher Differenzen gemeinsame Demonstrationen gegen die Sparpläne von Finanzsenator Sarrazin an

von MAXIMILIAN HÄGLER

Ohrfeigen von allen politischen Seiten musste gestern der Finanzsenator Thilo Sarrazin (PDS) einstecken. Bei einer Vollversammlung der Technischen Universität (TU) widersprachen die Unileitung, die Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) heftig den geplanten Sparmaßnahmen im Hochschulbereich. An der Humboldt-Uni (HU) kündigte eine Vollversammlung der Studierenden Aktionen an. Und der Präsident der Freien Universität (FU), Peter Gaehtgens, drohte dem Senat mit dem Abbruch der Verhandlungen über neue Hochschulverträge, sollte Sarrazin nicht von seiner Forderung nach weiteren Einsparungen von 200 Millionen Euro jährlich abrücken.

Schon als diese Pläne vor zwei Wochen bekannt wurden, hatten die drei Hochschulen drastische Reaktionen angedroht: TU und FU wollen ab dem Wintersemster einen Numerus clausus für sämtliche Fächer einführen, die HU erwägt gar einen kompletten Zulassungsstopp. Dazu kommen ein Einstellungsstopp beim Personal, die Schließung von – vor allem geisteswissenschaftlichen – Studiengängen und Forschungsbereichen und die Einführung von Studiengebühren.

Angesichts der brisanten Lage verfolgten im Audimax der TU gestern über 1.300 Uniangehörige, wie ihr Präsident Kurt Kutzler zum Gegenangriff ausholte: „Die Ausstattung durch die Politik ist Regionalliga.“ Und: „Denken Sie daran, der nächste Wahltermin steht fest!“ Klaus Landfried, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, schimpfte: „Herr Sarrazin verhält sich wie ein Bauer, der feststellt, dass er kaum noch Kartoffeln hat, und deshalb die Saatkartoffeln aus dem Keller holen muss. Aber anstatt sie auf dem Feld auszubringen, kocht er Pellkartoffeln.“

Was dem Bauer seine Kartoffeln sind, ist dem Finanzsenator sein Geld. Weil er das nicht mehr in Ausbildung und Forschung investieren will, könnten Wirtschaft und Wissenschaft niemals gedeihen, stellte DGB-Landesvize Bernd Rissmann fest. Er sprach vom „Horrorszenario eines Senats, der von allen guten Geistern verlassen ist“. Wer 200 oder vielleicht sogar 600 Millionen Euro sparen wolle, der zerstöre die Zukunft der Stadt. Für ihn heißt es jetzt: „Wir brauchen den Kampf!“ Dafür gab es Beifall von TU-Mitarbeitern und Studierenden, und deren Sprecherin, Anja Schillhaneck, stellte mit Blick auf ihre Vorredner und den gefüllten Vorlesungssaal fest: „Gemeinsam sind wir stark.“

Während bei der TU also alle Unigruppierungen mobil machen – von den Studierenden über „sonstige Mitarbeiter“ bis hin zu Professoren und dem Präsidenten –, ist die HU nicht ganz so geschlossen im Kampf gegen die Sparpläne. Doch hier drängelten sich gestern nur Studierende bei einer Vollversammlung. Denn HU-Präsident Jürgen Mlynek plant nicht nur einen Zulassungsstopp, sondern denkt auch an Studiengebühren, bis zu 1.000 Euro pro Semester hält er für „durchaus vertretbar“. Die schlechte Personalsituation – im Moment kommt ein Professor auf hundert Studiernde – und die miserable Ausstattung beklagen auch die Studierendenvertreter. Aber sie sehen Gebühren und Zulassungsstopp als den grundfalschen Weg an und fordern deshalb den Rücktritt von Mlynek: „Der Präsident vertritt im Moment nicht unsere Interessen als Studierende.“

Um ein eigenes Zeichen gegen die Sparpläne zu setzen, wollen die HU-Studenten im Herbst ihre Uni für alle aufsperren, die studieren wollen. Die theologische Fakultät verlegt in den nächsten Wochen ihre Vorlesungen und Veranstaltungen in die S-Bahn oder ins Freie. Und trotz mancher Meinungsverschiedenheit: Auch die drei Präsidenten wollen gemeinsam mit ihren Studenten gegen die Sparpläne auf die Straße gehen. Ihr Termin: der SPD-Landesparteitag am 16. Mai.