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bücken nach der zauberseife von ANDREAS MILK

Die Pisa-Studie hat gezeigt, dass Deutschlands Jugendliche nicht zu den hellsten zählen. Statt die offenkundig schief gegangene Kuschelpädagogik fortzusetzen, braucht es den Mut zu neuen Methoden – zur Hardcore-Erziehung. Denn kaputtzumachen ist bei denen schließlich nicht mehr viel.

Nach dieser Einsicht handelte ich und wurde dafür auf offener Straße beschimpft. Ich hatte beobachtet, wie eine Gruppe von Grundschülern unter polizeilicher Anleitung in die Kunst regelgerechten Radfahrens eingewiesen wurde, mit Handraushalten vorm Abbiegen und all dem Brimborium. So nahm ich beide Hände vom Lenker meines Fahrrades, winkte den Kleinen zu und rief: „Kuckt mal, was ich ka-hann!“ – was zuschauende Eltern zu Reaktionen trieb, die jedenfalls nicht dazu beitragen werden, dass die kleinen Rabauken sich fürderhin eines gepflegten Sprachgebrauchs befleißigen. Aber sei’s drum, wenn sie nur korrekt Handzeichen geben beim Unters-Auto-Kommen.

Im Übrigen: Nachdem außer dem Bildungs- auch das Rentensystem nachweislich den Bach runtergeht, gibt es endgültig keinen Grund mehr, den Nachwuchs in Watte zu packen. Im Alter, also bald, sind wir nämlich eh auf uns allein gestellt, so oder so. Nicht mal ausreichend Zivildienstleistende werden mehr für Essenszubereitung, Getränkenachschub oder das Reinigen der Bettwäsche zur Verfügung stehen. Und selbst wenn: Mangels deutscher Beteiligung an militärischen Kampfhandlungen hätten wir nicht einmal mehr die Chance, die Zivis mit Kriegserinnerungen zu foltern und sie der Drückebergerei zu bezichtigen. Hach, es macht eben alles keine Freude mehr.

Mein Vorschlag: Wir sollten, solange wir können, uns auf Kosten der Jugend ein klein wenig amüsieren. Das geht im Beruf, aber auch in der Freizeit. Beispiele? Bei einer kleinen, aber feinen Lokalzeitung ist es seit Urzeiten Usus, Praktikanten mit Recherchen zu betrauen über Verfehlungen von Amts- und Würdenträgern, die nie gelebt haben. „Wiiie – nix rausgekriegt? Lass dich nicht abwimmeln!“ Das schafft Spaß für uns und eine Lektion in puncto Rückschläge für die Praktikanten.

Nach Feierabend, beim Pils an der Theke, liegt ein großer Reiz im Anstimmen traditioneller Trinklieder in Szene-Lokalen für Jugendliche. Ach ja, sollte da zufällig ein Fernseher stehen und das Finale von „Deutschland sucht den Superstar“ laufen, dann besser nicht selbst singen. Zu gefährlich. Aber das sind so Feinheiten, die man schnell herausbekommt. Nur keine Furcht!

Mein Erziehungskonzept wäre freilich nicht „rund“, setzte es nicht schon bei den ganz Kleinen an. Schluss mit Gutschi-Gutschi-Getue – her mit der rauen Realität: Dass Harry Potter wegen fortgesetzter Vorspiegelung falscher Tatsachen im Jugendknast schmort und sich dauernd nach der Zauberseife bücken muss, hat mein Neffe inzwischen verdaut. Respekt. Für seine Schwester versuche ich mich an einer leicht fasslichen, gleichwohl schonungslosen Abhandlung über die deutsche Vergangenheit; Arbeitstitel: „Bibi Blockwart“.

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