Gerhard Schröder, falscher Frauenfreund

Ging der SPD-Chef bei der Auswahl seiner Favoritin für Schloss Bellevue ähnlich kalkulierend vor wie Angela Merkel?

BERLIN taz ■ Gerhard Schröder hat die Latte hoch gelegt, wie ein würdiger Umgang mit Kandidaten für das Bundespräsidentenamt auszusehen hat. Gestern erklärte er zur Bewerberkür seiner Widersacherin Angela Merkel: „Das kommentiert sich fast von selbst. Die Art und Weise des Umgangs damit verrät ein bisschen die Art und Weise des Umgangs mit Politik und Menschen insgesamt.“ Die Häme gegen die CDU-Vorsitzende war beabsichtigt – und womöglich ein wenig riskant. Denn der Macho Schröder ging bei der Auswahl seiner eigenen Kandidatin nicht unbedingt stilsicher vor.

Sosehr Schröder sich mit der Blitz-Nominierung der Uni-Präsidentin Gesine Schwan als Deutschlands oberster Frauenfreund profilieren wollte, so wenig rücksichtsvoll sprang er mit der weitgehend unbekannten Akademikerin um. Schwan, die sich derzeit an der US-Eliteuni Harvard aufhält, ist nach eigener Aussage von der Anfrage des Kanzlers komplett überrascht worden. „Gerhard Schröder hat gestern mit ihr telefoniert und sie dabei erstmals gefragt, ob sie sich eine Kandidatur vorstellen kann“, sagte ihr persönlicher Referent am Donnerstag der taz. Das Bundespresseamt bestätigte den Ablauf gestern. „Die Anfrage des Bundeskanzlers kam für mich völlig überraschend“, sagte auch Schwan dem Tagesspiegel. Ihr Referent: „Sie hat zugesagt, rechnete aber damit, dass es noch einige Tage dauern würde, bis der Vorschlag öffentlich gemacht werden würde.“ Als Schröder um zehn Uhr morgens vor der Presse in Berlin Gesine Schwan zur Kandidatin ausrief, war es in Harvard vier Uhr früh.

„Das finde ich happig“, sagt eine Frau, die engstens in die Suche nach einem geeigneten Bundespräsidenten eingebunden war und darum ihren Namen nicht in der Zeitung sehen will. Ex und hopp, so der Vorwurf, habe der SPD-Chef eben mal eine Frau aus dem Hut gezaubert, von Respekt zeuge das nicht gerade. „Dass Schröder kein Sensibelchen ist, wissen wir“, meint sie, sieht in des Kanzlers Umgang aber ein Zeichen, dass das Alphatier Schröder seine weitgehend chancenlose Bewerberin ähnlich kühl übers Schachbrett schiebt, wie Merkel es etwa mit der Beinahe-Kandidatin Annette Schavan tat. Die Sozialdemokratin Schwan selbst beteuert: „Gerhard Schröder hatte meine Zustimmung, sonst wäre er mit der Nachricht nicht an die Öffentlichkeit gegangen.“

Mag die Terminfrage gewesen sein, wie sie will – es geht dabei nicht nur um die Wahrung der Etikette mit Blick auf das feine Schloss Bellevue. Die spitzen Reaktionen auf Schröders Hast beim Herbeizaubern einer Horst-Köhler-Konkurrentin zeigen, unter welchem Generalverdacht Gerhard Schröder steht. 1999, als eine Frau statt Rau tatsächlich in Bellevue hätte einziehen können, wollte das SPD-Männerdoppel Schröder/Müntefering von Damenwahl nichts wissen. Indem die beiden Rau fortlobten, konnte Wolfgang Clement Ministerpräsident in Düsseldorf werden. Doch seitdem lebt die sozialdemokratische Partei endgültig mit dem Makel, Frauen beim Präsidentenpoker als Spielmaterial zu missbrauchen. Glück hatte der Männerklüngel in Kanzleramt und Willy-Brandt-Haus diesmal nur mit Angela Merkel: Hätte die CDU-Vorsitzende ihre Parteifreundin Annette Schavan als Favoritin von Union und FDP durchgesetzt, sähen die Sozis noch blamierter aus. PATRIK SCHWARZ