Erwartungen erfüllen sich

Das 2:1 zwischen Real Madrid und Juventus Turin im Halbfinalhinspiel der Champions League istein Spiel Offensive gegen Defensive. Das Ergebnis gibt beiden Teams Hoffnung aufs Weiterkommen

aus Madrid REINER WANDLER

Die Fans von Real Madrid sind optimistisch – und sie sehen sich bereits erneut im Fußballhimmel. Am Dienstagabend jedenfalls hörten sie nicht auf damit, Transparente mit jener Trophäe zu schwenken, die sie für Ende Mai in Empfang zu nehmen gedenken: den Europapokal. Dabei stand gerade mal das Hinspiel des Champions-League-Halbfinals gegen Juventus Turin an. Andererseits lässt sich der Optimismus der Königlichen natürlich schlüssig begründen: Denn zum einen ist Madrid gegen Juve für viele eine Art vorweggenommenes Endspiel, zum anderen reisen die Spanier nach dem 2:1-Sieg zumindest rein zahlenmäßig mit einem Vorteil zum Rückspiel nach Turin.

Dass der beileibe noch keine Garantie für die Teilnahme am großen Finale sein muss, wissen sie bei Real freilich schon auch. „Wir werden nächste Woche leiden“, fasste Vicente del Bosque jene Lehren zusammen, die er aus dem Hinspiel gezogen hatte. Es war ein Spiel, wie man es vorhergesehen hatte, quasi aus dem Katalog der Fußball-Klischees: Der offensive spanische Fußball auf der einen gegen eine perfekte italienische Abwehr auf der anderen Seite. Ein Kampf der Systeme und Philosophien. Wer da ein großes Spiel wie im Halbfinale gegen Manchester United erwartet hatte, hatte seine Eintrittskarte vergebens gekauft.

Real Madrid, das beim letzten Spiel in der spanischen Primera División gegen Mallorca mit 1:5 eingebrochen war, tat sich auch am Dienstag schwer. Auf dem Platz stand eine Mannschaft, wie sie diese Saison noch nicht zusammen gespielt hatte: McManaman musste einem weiteren Stürmer Platz machen; Starschütze Raúl erholt sich von einer Operation, und Ronaldo, der in der 23. Minute für das 1:0 sorgte, musste nach 50 Minuten verletzt vom Platz. Morientes und der junge Portillo füllten die Lücken – und lernten, was es heißt, als Stürmer zu leiden.

Ein ums andere Mal versuchten die beiden vergebens zum gegnerischen Tor durchzukommen. Doch Juve konzentrierte sich auf das, was es am besten kann: Verteidigen. Nicht einmal nach dem 1:0 für Real löste die Mannschaft von Marcello Lippi ihren Sechser-Abwehrriegel auf. Der kühl rechnende Juve-Trainer, so hatte es den Anschein, wäre auch mit einem 0:1 im Gepäck nach Hause gefahren. Als Trezeguet kurz vor Halbzeitpfiff auch noch den Ausgleich erzielte, wurde das Spiel von Juve noch schwerfälliger und destruktiver. Ein Remis mit einem Auswärtstor – der Stratege des Catenaggio kalkulierte erneut und war richtig zufrieden.

Das Blatt wendete sich erst, als Roberto Carlos in der 73. Minute einen Weitschuss versenkte. Verzweifelt änderte Juve nun die Taktik und warf plötzlich seinerseits alles Richtung gegnerischen Strafraum. Das bot Real Platz für Konter, die zwar schnell und gefährlich vorgetragen wurden, aber doch allesamt glück- und erfolglos blieben. „Wir hätten höher gewinnen können“, blickte Trainer del Bosque später zurück. Dass dem so war, verdankte seine Mannschaft einer „Weisheit, so alt wie der Fußball“, wie del Bosque zu Protokoll gab: „Um eine geschlossene Abwehr zu öffnen, musst du das Feld öffnen.“ Figo auf der einen und Roberto Carlos sowie Zidane auf der anderen Seite setzten dies um.

„Ich hatte nicht mit einer solchen Aufstellung gerechnet“, gab denn auch Juve-Coach Lippi unumwunden zu. Viel offensiver als erwartet seien die Weißen mit ihrer Doppelspitze ins Spiel gegangen. Auch deshalb habe es etwas gedauert, bis die beste italienische Abwehr richtig stand. Auch Lippi sprach dabei vom „Leiden“ seiner Mannschaft.

Real Madrid: Casillas - Salgado, Hierro, Helguera, Roberto Carlos - Makelele, Guti, Luis Figo, Zidane - Morientes (80. Solari), Ronaldo (50. Portillo)Juventus Turin: Buffon - Thuram, Ferrara, Iuliano (46. Pessotto), Birindelli - Conte - Zambrotta, Tudor (80. Camoranesi), Nedved (82. di Vaio) - Del Piero - Trezeguet Zuschauer: 80.000 (ausverkauft); Tore: 1:0 Ronaldo (23.), 1:1 Trezeguet (45.), 2:1 Roberto Carlos (73.)