zahl der woche
: Schöner rechnen mit Bahnchef Hartmut Mehdorn

32 Milliarden Euro

„Die Bahnreform ist ein durchschlagender haushaltspolitischer Erfolg.“ Stolz schmückte so noch im Herbst die Deutsche Bahn AG auf ihrer Webseite eine Zwischenbilanz, die das Haushaltswunder der Bahnreform zum zehnjährigen Jubiläum beschwor. Auf den ersten Blick schien es, dass die Bahn ihr Image als Prügelknabe der Nation abgeschüttelt hatte.

Der Verkehrsexperte Gottfried Ilgmann, bis 1991 Sekretär der Regierungskommission Bundesbahn (RKB), hat sich noch einen zweiten Blick auf die Zahlen zur Bahnreform gegönnt und ein Gutachten verfasst, zu dem nun Ende März im Verkehrsausschuss des Bundestages eine Anhörung stattfindet. Ilgmanns Fazit: alles Schönfärberei, wenn nicht gar bewusste Täuschung.

Anfang der Neunzigerjahre berechnete RKB die Vorteile, die eine Umwandlung der Staatsbahn zur Aktiengesellschaft bringen würde. „Deutsche Eisenbahn AG“, kurz Deag, nannte sie dieses fiktive Planungsmodell. Mit diesem Ansatz verglich sich nun die DB AG – und zog das Fazit, dass sie für den Zeitraum von 1994 bis 2002 32 Milliarden Euro weniger gekostet hatte.

In dieser Rechnung hat Ilgmann nun „schwere handwerkliche Fehler“ gefunden. Viele Prognosen, etwa über immense Personalkosten der ostdeutschen Reichsbahn oder Finanzaltlasten der Bundesbahn, seien nie eingetroffen. Nicht brillantes Management, sondern schlichtweg Ausgaben, die es nie gab, schonten die Kasse. Würden nur die gröbsten Fehler korrigiert, habe der Steuerzahler statt einer Entlastung im gleichen Zeitraum mindestens 17 Milliarden Euro für die DB AG gezahlt.

Die gönnte sich in ihrer Darstellung noch einen gewagten Vergleich: Insgesamt habe sie den Bundeshaushalt bis zum Jahre 2002 sogar 90 Milliarden Euro weniger gekostet im Vergleich zu dem, was die frühere Bundes- und Reichsbahn verschlungen hätten. Auf diese Summe kommt die DB AG, indem sie sich wiederum mit einer anderen Prognose der RKB von 1991 vergleicht. Die Kommission sagte damals voraus, dass ohne Bahnreform der Haushalt bis 2002 mit rund 255 Milliarden Euro belastet würde. Doch das war laut Ilgmann ein bewusstes Horrorszenario, um die Politik angesichts des maroden Bahnsystems nach der Wende zu Reformen anzutreiben.

Dass Bahnchef Hartmut Mehdorn fest an eine grandiose Managerleistung glaubt, kontert Ilgmann auf seine Art: Gemessen an diesen Vorgaben hätte jedes noch so schwache DB-Management einen Erfolg vermelden können.

HANSJÖRG KISSEL